Augenblick mal ....

Die «blutigen Lügen» rund ums Gospel Forum

In China gibt es Ex-Covid-19-Patienten, die durch Blutspenden von Christen geheilt wurden – diese Nachricht verbreitet sich seit Tagen in Windeseile über WhatsApp. Die Sache wird mit dem Gospel Forum Stuttgart in Verbindung gebracht. Alles Lug und Trug!
Das Gospel Forum Stuttgart wurde Opfer einer Fake News Kampagne. (Bild: Instagram)
Blutspende
Offizielle Stellungnahme des Gospel Forums

Es ist eine anonyme Frauenstimme in klarem Hochdeutsch, die Christen in der Krise ermutigen möchte. Sie ermuntert dazu, die nachfolgende Wundergeschichte weiterzuleiten. Gespickt und kommentiert mit christlichen Ausdrücken erzählt die Frau sehr besonnen «das Zeugnis» einer deutschen Missionarin. An deren Wirkungsort in Wuhan, wo Covid-19 zuerst ausgebrochen sein soll, hätte die Missionarin Erstaunliches beobachtet.

Gewissen Covid-19-Patienten sei es so schlecht gegangen, dass die Ärzte Blutspenden angeordnet hätten. Dabei sei festgestellt worden, dass Nichtchristen, die Blut von Christen erhalten hätten, von Covid-19 geheilt wurden und der Erreger in deren Blut nicht mehr nachweisbar gewesen sei. Die Regierung hätte daraufhin Christen, «die um ihres Glaubens willen» im Gefängnis sassen, zum Blutspenden entlassen, um weiteren Patienten zu helfen. Alle seien geheilt worden – und die Christen hätten die Freiheit erhalten. Daraus schlussfolgert die Frau erleichtert: «Als Kind Gottes bin ich geschützt unter seinem Blut. Darauf möchte ich mich stellen…»

«Prüft alles!»

Berührt und beeindruckt von dieser Story stehen viele Christen in der Gefahr, die Nachricht ohne zu Überlegen an ihre Kontakte zu verschicken. Wen wundert's? Die Geschichte ist authentisch erzählt – und Gott wäre in seiner Allmacht durchaus in der Lage, ein solches Wunder zu tun. Ob er das will, ist eine andere Frage und liegt nicht in unserer Macht. Was sicher seinem Willen entspricht, ist, dass wir unseren Verstand einschalten – gemäss den Worten in der Bibel: «Prüft jedoch alles und behaltet das Gute.» (1. Thessalonischer-Brief, Kapitel 5, Vers 21)  

Reto Kaltbrunner, Pastor im ICF St. Gallen, hat die Audio-Datei ebenfalls erhalten: «Es stimmt mich sehr nachdenklich, dass Christen die Nachricht weiterleiten, ohne sie zu prüfen. Zurzeit nutzt die chinesische Regierung die Ausgangssperre, um Kirchen zu zerstören und Christen zu schädigen (Livenet berichtete). Dies steht im Widerspruch zur Nachricht, Christen seien aus dem Gefängnis freigekommen.»

Zur Überprüfung von Fake News empfiehlt Reto Kaltbrunner den Hoax-Info-Service der Technischen Universität Berlin, die eine hilfreiche Website betreibe.

Gospel Forum Stuttgart distanziert sich

Um ihrer Story Glaubwürdigkeit zu verleihen, verbindet die Sprecherin der WhatsApp-Nachricht besagte Missionarin mit dem Gospel Forum Stuttgart. Dort distanziert man sich klar von der Sache. Milène Dreher, Mediensprecherin des Gospel Forums, sagt: «Wir haben die Nachricht über denselben Kanal erhalten und wissen nicht, wo die Quelle davon liegt. Wir haben auch keine Mitarbeiter in Wuhan.»

Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Dies ist eine von so manchen kuriosen Geschichten und Verschwörungstheorien zu Corona, die zurzeit kursieren. «Es ist ganz wichtig, dass Christen, solche Fake News nicht weiterverbreiten», bekräftigt auch Sacha Ernst vom Hilfswerk AVC Aktion für verfolgte Christen und Notleidende. AVC betreibt unter anderem Projekte in China. Lokale Quellen wüssten von nichts, das den Inhalt der WhatsApp-Nachricht stützen würde.

Sacha Ernst wiederholt, beim Empfang derartiger Mitteilungen Vorsicht walten zu lassen: «Wenn solche Fake News verbreitet und dann enttarnt werden, verlieren Christen ihre Glaubwürdigkeit. Dann lächeln die Menschen nur noch müde, wenn Gott wirklich ein Wunder geschehen lässt.»

Auch der Kolumnist und Christ Sam Urech schreibt in einer Kolumne auf nau.ch über dieses Thema.

Diskussion über «Fake News» im Livenet-Talk

Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Thema gibt's hier im Livenet-Talk vom 3. April 2020:


Zum Thema:
Dossier «Coronavirus»
Na ja, fast ...: Gab Priester Beatmungsgerät einem jüngeren Patienten?
Peter Schneeberger: «Wir bilden eine positive Schwarmintelligenz»
Fromme Fake News?: «Vom Teufel zum Engel» – bitte nicht schon wieder!?

Datum: 02.04.2020
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Livenet

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