Fokus auf verfolgte Christen

Livenet-Talk: «Es geht darum, Jesus die erste Priorität zu geben!»

Bisher konnten wir im Westen kaum nachvollziehen, was es bedeutet, wegen seines Glaubens gesellschaftlich isoliert zu sein. Durch den Lockdown lässt sich nun etwas davon erahnen. Die verfolgte Kirche kann dabei eine grosse Ermutigung für uns sein. Dies kam im Livenet-Talk vom 28. April 2020 zum Ausdruck. Mit dabei war mit Dabrina Bet-Tamraz auch eine Christin mit iranischen Wurzeln, die früher selbst Verfolgung erlebt hat.
Sacha Ernst, R. , Dabrina Bet-Tamraz, Florian Wüthrich, Daniel Lehner, während des Livenet-Talks (Bild: Livenet-Talk)
Dabrina Bet-Tamraz war ebenfalls Gast im Livenet-Talk vom 28.04.2020.
Sacha Ernst
Daniel Lehner

Dabrina Bet-Tamraz ist heute FEG Pastorin in Wettingen. Die gebürtige Iranerin erlebte selbst Verfolgung in ihrer Heimat, wo ihre Familie wegen des christlichen Glaubens lange im Gefängnis war. «Mein Bruder wurde erst vor drei Wochen wegen dem Coronavirus aus der Haft entlassen.»

Ihr Vater leitete 35 Jahre eine Gemeinde im Iran, bis die Behörden diese vor rund zehn Jahren schlossen. Verhöre und Gefängnis folgten. Dabrina Bet-Tamraz erlebte, dass das Christentum durch die Verfolgung im Land wächst. «Gott baut die Gemeinde und sein Königreich. Wir wussten, dass das Christentum nicht durch Isolation, Verfolgung und Bedrängnis zu stoppen ist. Der Glaube kann nicht verhindert werden.» Dies zeigen die anhaltenden Aufbrüche im Iran.

Eine andere Herzenshaltung

In Europa und den USA sei diese Abhängigkeit von Gott nicht gleich gegeben, erklärt Dabrina  «Ich wünsche, dass wir ohne Krise lernen können, von Gott abhängig zu sein. Im Iran haben wir einen ähnlichen Wohlstand, aber dennoch sind wir abhängiger von Gott.»

Sie erinnert sich an eine 70-jährige Christin. «Die Polizei verhaftete sie und legte ihr nahe, dass sie nicht mehr von ihrem Glauben erzählen soll. Doch sie erzählte ihnen ihre Geschichte und fragte, wie sie das nur für sich behalten solle?» Die Christen hätten eine solche Leidenschaft, dass sie den Glauben nicht für sich behalten können. «Diesen Glauben erlebe ich in Europa nicht so oft. Es geht nicht ums 'frecher' werden, sondern um die 'Liebe'. Wenn man diese Beziehung hat, kann man nicht anders, als davon erzählen. Er ist der gleiche Gott in Afrika und im Iran. Wir beten gleich und der Lobpreis ist derselbe – aber die Herzenshaltung ist anders.»

Gerade die gegenwärtige Zeit könne eine neue Chance sein, die Beziehung mit Jesus zu stärken. Oder wie es Dabrina Bet-Tamraz sagt: «Es geht darum, Jesus die erste Priorität zu geben.»

Wenn nichts anderes mehr hilft als Gott allein

«Wir haben bei uns im Hilfs- und Missionswerk 'AVC' Menschen angestellt, die selbst im Gefängnis waren, die gefoltert wurden und die nicht wussten, ob sie lebendig wieder rauskommen», berichtete Sacha Ernst im Livenet-Talk. «Alle sagen das gleiche, nämlich dass man an den Punkt kommt, wo nichts anderes mehr hilft als Gott allein. Wenn sie zum Beispiel im Folterkeller eingekerkert sind, bleibt nur noch das Gebet.»

Im schlimmsten Moment des Schmerzes habe einer mal Gott gefragt, warum er das zulässt. Darauf habe er akustisch Gottes Stimme gehört: «Ich bin mit dir.»

«Versuchungen des Wohlstandes dämpfen den Geist Gottes»

Diese extreme Situation kennen wir hier im Westen nicht. Dennoch machte Sacha Ernst eine für uns möglicherweise überraschende Entdeckung: «Sie wollen aber um nichts tauschen, weil der Geist Gottes real ist. Er sagt ihnen, dass wir nicht alleine sind, sondern dass er bei uns ist. Gott ist nahe und viele sagen: 'Das Schwierigste ist das Schönste gewesen.'»

Sacha Ernst erläuterte weiter, dass die Versuchungen des Wohlstandes den Geist Gottes dämpfen. Wenn einem aber alles geraubt sei, man in Einzelhaft sitze, Hab und Gut verloren habe, dann strecke sich der Mensch nach Gott aus. Für die Menschen in der verfolgten Kirche sei die Ewigkeitsperspektive eine absolute Realität, betonte AVC-Projektleiter Ernst.

Grosse Komfortzone

Im Westen sind wir verwöhnt. «Wir leben in einem so kleinen Land, doch ich weiss nicht, ob es ein Land gibt, das eine noch grösser Komfortzone hat», bilanzierte Daniel Lehner, Leiter des Deutschschweizer Büros von Open Doors.

Komme man aus dieser Zone heraus, sehe vieles andere. Das stellten auch Besucher aus dem Ausland fest. «Wenn sie hier sind, sagen sie sehr schnell, dass man hier leicht abdriften kann.» Hier im Westen sieht vieles anders aus, «weil man nicht mehr überlegen muss, wie man den Tag überleben kann.» Diese Unterschiede zu sehen, sei herausfordernd.

Plötzlich in Gefahr

Daniel Lehner besuchte im vergangenen Jahr ein Land in Nordafrika. «Ich traf Christen, die nicht wissen, wie sie morgen das Essen auf den Tisch bringen. Oder ob während dem Gottesdienst ein Radikaler hereinkommt und wahllos Leute umbringt – und es interessiert weder Justiz noch irgendjemand.»

Jesus gab alles für uns, erklärte Daniel Lehner weiter. «Doch unsere Komfortzone hindert uns daran, so zu leben. Christen in Gebieten mit Verfolgung fürchten, dass sie benachteiligt werden, wenn es um Covid-19-Hilfe geht.» Wichtig sei das Gebet für die verfolgte Kirche: «Gebete kommen dahin, wo die Menschen nicht hinkommen», sagte bereits Open-Doors-Gründer Bruder Andrew.

«Wir spüren, was passiert»

Von echter Verfolgung könne in der Schweiz nicht die Rede sein, betonte ein Mitarbeiter der HMK, auch nicht in dieser Coronakrise. «Unsere Kirchen sind ja nicht geschlossen, weil wir verfolgt werden, es geht jedem Kaninchenzüchter-Verein genau gleich. Und doch verändert diese Situation einiges. Wir spüren, was passiert, wenn Geliebtes wegbricht», so Rupp. «Plötzlich sind Dinge, von denen man denkt, dass sie einem guttun, nicht mehr da. Was bleibt dann noch?» Dies sei eine spannende Erfahrung.

Er habe mal jemanden, der sich in der Ukraine vor den Bomben in Sicherheit bringen musste, gefragt, ob er sich nicht gefragt habe, wo Gott in dieser schrecklichen Not war. Der Mann habe geanwortet: «In den Kellern realisierte ich, dass Jesus seine Liebe nicht durch die Umstände zeigt, sondern durch seinen Tod am Kreuz. Es ist nicht entscheidend, ob es uns gut geht oder nicht, unsere Beziehung zu Jesus hängt nicht davon ab. Er verspricht ewiges Leben. Er gibt eine Perspektive über den Tod hinaus.»

«Gott ist immer da»

R. lernte auch einen Mann kennen, der wegen seines Glaubens im Gefängnis war. Wenn er den christlichen Glauben aufgegeben hätte, wäre er frei gewesen. «Ich fragt ihn, ob er nie aufgeben wollte. Doch er antwortete, dass dies keine Option gewesen war, da Gott immer bei ihm war. Das ist wohl das Geheimnis: diese Menschen werden durchgetragen, auch wenn um sie alles zusammenfällt. Gott ist ihnen dann besonders nahe.»

Hier den gesamten Livenet-Talk ansehen:

 

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Datum: 30.04.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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