Deutschland und Portugal

Urteil über das «Recht auf Sterben»

Nach Auffassung des höchsten deutschen Gerichts in Deutschland hat jeder Mensch ein Recht auf Sterben und Suizid. Auch in Portugal wird die Sterbehilfe liberalisiert.
Engelsstatue (Bild: unsplash.com)

Damit hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem jüngsten Urteil das Verbot zur geschäftsmässigen Sterbehilfe (Paragraph 217) für ungültig erklärt. Das Gesetz wurde erst 2015 vom Bundestag beschlossen.

Möglichkeit zur Aufklärungspflicht

Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass die Menschenwürde und die Persönlichkeitsrechte ein Recht begründen, das auch die Freiheit miteinschliesst, sich das Leben zu nehmen», so Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle. Jeder Mensch habe ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben, das bedeutet, dass er sein Leben beenden und sich dabei helfen lassen dürfe. Dieses Recht bestehe in jeder Phase des Lebens.

Andreas Vosskohle sprach in seiner Urteilsbegründung von einer schwierigen Materie. Es stehe dem Gesetzgeber frei, die Sterbehilfe neu zu regeln und beispielsweise bestimmte Aufklärungspflichten zu verlangen.

Gegen eine Kultur zur Förderung des Lebens

Die beiden grossen Kirchen in Deutschland haben das Urteil scharf kritisiert. Es sei ein «Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur». Sie befürchten, dass «die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung alte oder kranke Menschen» unter Druck setze, von solchen Angeboten Gebrauch zu machen.» So die gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

«Je selbstverständlicher und zugänglicher Optionen der Hilfe zur Selbsttötung würden, desto grösser sei die Gefahr, dass sich Menschen in einer extrem belastenden Lebenssituation innerlich oder äusserlich unter Druck gesetzt sähen, von einer derartigen Option Gebrauch zu machen und ihrem Leben selbst ein Ende zu bereiten.» Aus Sicht der Kirchen entschieden sich am Umgang mit Krankheit und Tod «grundlegende Fragen unseres Menschseins und des ethischen Fundaments unserer Gesellschaft».

Gesetz richtete sich gegen Sterbehilfe-Organisationen

Ausgangspunkt des Verfahrens waren Verfassungsbeschwerden von schwerkranken Menschen, die sich gegen den Paragraphen 217 richtete. Mit dem Gesetz wollte eine Mehrheit des Bundestages verhindern, dass geschäftsmässige Sterbehilfe möglich ist. Dabei wurde als geschäftsmässig nicht die Gewinnabsicht, sondern die zu erwartende Wiederholung definiert. Das Gesetz richtete sich Suizidhilfe-Vereine wie Sterbehilfe Deutschland oder Dignitas aus der Schweiz, um zu verhindern, dass sie ihre Angebote für zahlende Mitglieder ausweiten und gesellschaftsfähig werden.

Portugal: Auch hier wird Sterbehilfe liberalisiert

In Portugal ist ebenfalls mit einer freieren Regelung der Sterbehilfe zu rechnen. Hier wurden fünf Gesetzesentwürfe in einer ersten Lesung im Parlament angenommen. In einem nächsten Schritt wird aus den fünf Initiativen ein gemeinsamer Gesetzestext erarbeitet, der möglicherweise noch vor der Sommerpause vom Parlament beschlossen wird.

Gegen ein Gesetz zur Sterbehilfe sprachen sich die katholische Kirche, Ärztevertretungen und der Nationale Ethikrat in Portugal aus.  Sie forderten bisher vergeblich eine Volksabstimmung zu dem Thema. Beobachter halten es für möglich, dass der Präsident, Marcelo Rebelo de Sousa, ein bekennender Katholik, gegen einen solchen Parlamentsbeschluss sein Veto einlegen könnte.

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Datum: 27.02.2020
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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