Kindeswohl berücksichtigt?

Pro Juventute wirbt für die «Ehe für alle»

Die «Schweizer Stiftung für die Jugend» spricht sich für ein Ja zur «Ehe für alle inklusive Samenspende für lesbische Paare» aus.
Kind mit zwei Müttern
Regula Lehmann

In ihrer aktuellen Medienmitteilung schreibt die Stiftung: «Pro Juventute unterstützt die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare. Die Stiftung setzt sich ein für die Stärkung aller Familienformen, d.h. auch von Regenbogenfamilien mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Dies, da für das Engagement der Stiftung immer das Wohl des Kindes im Zentrum steht.»

Dem Kindesschutz verpflichtet

Pro Juventute, die sich dem Wohl der Schweizer Jugend verpflichtet sieht, begründet ihre Abstimmungsempfehlung damit, dass Kinder aus Regenbogenfamilien den gleichen Schutz erhalten sollen wie die Kinder heterosexueller Paare. Studien zeigten eindeutig, dass gleichgeschlechtliche Paare ganz genauso wie heterosexuelle Paare in der Lage seien, Kinder zu betreuen, Elternrechte und -pflichten wahrzunehmen und das Wohl der Kinder zu wahren, erklärt die Stiftung und verweist dabei auf die 2002 erstellte Forschungsarbeit von Anderssen.[1]

Weitere Studien werden nicht aufgeführt und Pro Juventute erwähnt mit keinem Wort, dass verschiedene neuere Forschungsarbeiten[2] zu teilweise entgegengesetzten Ergebnissen kommen und durchaus signifikante Unterschiede feststellen. Für eine der renommiertesten Schweizer Stiftungen, die sich während Jahrzehnten sehr kompetent für das Wohl von Kindern und die Unterstützung von Eltern engagiert hat, ein erstaunliches Vorgehen.

UN-Kinderrechtskonvention nur teilweise berücksichtigt

Die UN-Kinderrechtskonvention, der sich die Schweiz seit 1997 verpflichtet sieht, hält in Artikel 7 und Artikel 9 ausdrücklich fest, dass Kinder – wo immer dies möglich ist – ein Recht auf das Aufwachsen bei ihren Eltern sowie auf Kontakt zu Mutter und Vater haben. Im Fall der Samenspende für lesbische Paare wird dem Kind dieses Recht jedoch in vielen Fällen mit voller Absicht verwehrt. Während es bei der Adoption um Kinder geht, die bereits existieren, fördert der Zugang zur Samenspende die vorsätzliche Zeugung von Kindern, denen das Aufwachsen mit ihrem leiblichen Vater grundsätzlich und absichtlich vorbehalten wird.

Auf diese Fakten und die damit verbundenen Probleme geht Pro Juventute jedoch in seiner Medienmitteilung mit keinem Wort ein. Dies, obwohl langjährige Erfahrungen sowie wissenschaftliche Forschungsarbeit im Adoptiv- und Pflegekindbereich die Bedeutung leiblicher Elternschaft und familiärer Verwurzelung fundiert belegen. Der Widerspruch könnte nicht grösser sein: Während mit Pflegekindern zur Stärkung ihrer Identität aufwändige Biografiearbeit geleistet wird, wird leibliche Elternschaft, sobald es um «Ehe für alle» geht, abgewertet und teilweise gar für beliebig ersetzbar erklärt. Statt auf Artikel 7 und 9 näher einzugehen, beruft Pro Juventute sich auf Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention und erklärt: «Staatliche Institutionen und die betroffenen Erwachsenen (Eltern und Erziehungsverantwortliche) haben die Pflicht, herauszufinden, welche Lebens- und Familienform für das Wohl und die Entwicklung des Kindes die beste ist. Dabei sind die Kinder soweit irgendwie möglich direkt anzuhören und bei der Entscheidung zu beteiligen, wie es Artikel 12 der UNO-Kinderrechtskonvention verlangt.»

Weil es jedoch unmöglich ist, Kinder zu ihrer Zeugung anzuhören oder mitbestimmen zu lassen, sollten Verantwortungsträger alles tun, um die Interessen dieser zukünftigen Generation bestmöglich zu vertreten. Sich zugunsten des Kindeswohls einen umfassenden Überblick über Erfahrungswerte und Studienergebnisse zum Aufwachsen bei gleichgeschlechtlichen Eltern zu verschaffen, darf von einer renommierten und von der breiten Schweizer Bevölkerung unterstützten Stiftung wie Pro Juventute erwartet und eingefordert werden.


[1] *Anderssen, N., Amlie, C., & Ytterøy, E. A. (2002). Outcomes for children with lesbian or gay parents. A review of studies from 1978 to 2000. Scandinavian Journal of Psychology, 43(4), 335-351.

[2] Dorett Funcke 2021, Die gleichgeschlechtliche Familie, Soziologische Fallstudien https://www.springer.com/de/book/9783658313357

Sarantakos, S., 1996, Children in three contexts: Family, education, and social development. In: Children Australia, 21, 23-31. 

https://acpeds.org/position-statements/homosexual-parenting-a-scientific-analysis

Zur Autorin

Regula Lehmann ist Leiterin Ehe- und Familienprojekte der Stiftung Zukunft CH, freiberuflich als Autorin, Elterncoach und Geschäftsführerin der Elterninitiative Sexualerziehung tätig.

Zum Thema:
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Destruktive Diskussion?: Wie die Debatte um Ehe für alle konstruktiv geführt werden kann

Datum: 29.07.2021
Autor: Regula Lehmann
Quelle: Livenet

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