Livenet-Talk mit Jörg Ahlbrecht

Fitness für die Seele

Fitness, Aussehen und Status sind uns wichtig. Entscheidend für das Gelingen unseres Lebens ist aber ganz etwas anderes. Wie finden wir innere Stärke und Qualität? Florian Wüthrich thematisiert diese Fragen im Gespräch mit dem Autor und Mentor Jörg Ahlbrecht.
Autor und Mentor Jörg Ahlbrecht

«Wir führen ein total beschäftigtes, unglaubliches Leben. Das Leben fliegt dahin, und mit 50 fragen wir uns vielleicht: Wolltest du hierhin? Ich bin immer gerannt und gehetzt. Will ich das?» Willow-Creek-Referent und Buchautor Jörg Ahlbrecht (Marburg/D) ist irgendwo in diesem Alter und spricht sicher aus Erfahrung. Sein Kernthema: Wie gelingt Leben? Wie geschieht Wachstum und Reifung von innen heraus? Wie geschieht Veränderung konkret und praktisch?

Die Begegnung mit dem blinden Jogger

Ahlbrecht braucht Bewegung und joggt seit vielen Jahren. Dabei traf er eine Zeitlang immer wieder den gleichen Mann: «Der war im Gegensatz zu mir total fit, bewegte sich wie eine Katze.» Ahlbrecht weiter: «Ich habe ihn immer gegrüsst, aber er hat nie zurückgegrüsst. Eines Tages blieben wir beide mitten auf einer Brücke stehen. Er hatte ein Bündel mit weissen Röhren unter dem Arm, und mir wurde bewusst, dass das ein zusammensteckbarer Blindenstock war.» Wow! «Sind Sie blind?», fragte ich ihn ungläubig. «Ja, ich habs an den Augen, nicht an den Beinen» war die Antwort.

Der Mann wurde zum Laufpartner und -coach für Ahlbrecht. «Einmal fragte ich ihn: Wie kannst du als Blinder denn so joggen? Das ist eigentlich unmöglich.» Seine Antwort: «Ich tue es jeden Tag.» «Das macht es aus», erkannte Ahlbrecht. «So kann Unmögliches wirklich werden – man macht es jeden Tag. Nicht aufgeben, dranbleiben, wiederholen»

Zerstreuung oder Sammlung?

Ahlbrecht hat sich von vielen Persönlichkeiten inspirieren lassen, darunter Gordon McDonald, Henri Nouwen, Dallas Willard und John Ortberg. Ein Schlüsselsatz wurde für ihn ein Zitat von Dallas Willard: «Was uns heute fehlt, ist nicht Zerstreuung, sondern Sammlung.» «Heute ist dieses Problem noch drängender als vor zehn Jahren», stellt Ahlbrecht fest. «Menschen haben heute noch mehr Schwierigkeiten, bei sich selber zu sein. Wir leben in der Vergangenheit und in der Zukunft, zerstreuen uns, sind in viele Projekte zersplittert, müssen vielen Ansprüchen genügen, haben Ängste und Sorgen und können uns immer weniger zusammensetzen und zur Mitte kommen.»

Der Sabbat, die Ur-Einrichtung

Als Hilfe, sich zu sammeln, habe Gott zum Beispiel von Anfang der Schöpfung an den Sabbat gegeben: «Alle sieben Tage setzt Gott einen Tag, um zu stoppen und uns entscheidende Fragen zu stellen.» Innehalten, ruhen, geniessen, Gott schauen – das sind von je her die vier Inhalte des Sabbats. «Der eine muss in die Natur, der andere macht Gartenarbeit – aber es lohnt sich völlig! Wenn ich nichts mache, dann tut es niemand für mich – ich bin hier in der Verantwortung.» Ahlbrecht weiss: «Die eigene Seele lässt sich nicht delegieren.» Die Corona-Zeit habe einigen mehr Arbeit und Stress gebracht, für viele aber auch mehr Zeit: «Plötzlich Kurzarbeit – und jetzt habe ich Zeit, mich mal mit den wirklich wichtigen Fragen zu beschäftigen.»

«Wenn einer von uns beiden stirbt ...»

Eine der grundlegenden Schritte für innere Fitness ist: Ich steige aus dem Zwang des Dringlichen aus und widme mich dem Notwendigen, wirklich Wichtigen. Dazu gehört das Besinnen auf den Tod. «Wir alle halten uns unsere Endlichkeit und die Frage nach dem Tod erfolgreich vom Leib», weiss Ahlbrecht. «`Wenn einer von uns beiden stirbt, ziehe ich wieder nach Bremen`, sagte eine Frau zu ihrem Mann; das heisst: sterben tun immer nur die anderen. Aber die Anzahl meiner Tage ist begrenzt», erklärt Ahlbrecht. «Es gibt ein Datum, an dem mein Leben endet – wie will ich die Tage, die ich noch habe, leben? Wenn ich mir das vor Augen stelle, bekommt jeder Tag eine unglaubliche Kostbarkeit. Will ich diesen Tag für etwas vergeuden, was mir gar keinen Spass macht? Was überhaupt nicht wichtig ist?»

Durch das ganze Gespräch zieht sich die Grunderkenntnis: Gott hat an meinem Charakter mehr Interesse als an meinen Aktivitäten. «Gott hat viel mehr Interesse daran, wer im Laufe deines Lebens aus dir wird, als an dem, was du für ihn tust.»

Jörg Ahlbrecht wird einer der Referenten bei der Willow Creek-Tageskonferenz am 28. August 2021 im Gate27 in Winterthur sein zum Thema: «Chancen sehen – packen – leben». Alle Infos und Anmeldung hier.

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Datum: 10.07.2021
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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