Christliche Gleitschirmflieger verbinden Hobby und Glauben
Gezackte Berge bis zum Horizont, dazwischen schroffe Täler mit
Eisfeldern und Gletscherseen, weiter unten grüne Berghänge und das eine
oder andere Gipfelkreuz. Wer die Videos sieht, die Timon Weber von
seinen Gleitschirmflügen ins Internet gestellt hat, versteht dessen
Leidenschaft fürs Paragliden. Sein halbes Leben lang schon fliegt er. «Mein Vater war Gleitschirmpilot, ich bin früh mitgeflogen», erzählt der
28-Jährige. Als Absolvent der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal
– einem freien Werk innerhalb der evangelischen Kirchen – suchte er
darum eine Möglichkeit, seinen Glauben und sein Hobby zu verbinden.
Seit
2015 arbeitet er in einem Paradies für Paraglider: In Österreich ist er
kirchlicher Diözesanjugendreferent für Kärnten-Osttirol. Mit seiner
Frau Stefanie hat er dort den Verein «Para-Dise» aufgebaut. Von Mai bis
August sind beide unterwegs auf Campingplätzen in der Nähe von
Paragliding-Hotspots wie Kössen in Osttirol oder Greifenburg im Oberen
Drautal.
Fliegen und Geld für humanitäre Projekte sammeln
Dort bauen sie ihr aufblasbares, fünf mal fünf Meter grosses Eventzelt
mit Liegestühlen und Sitzsäcken auf. Oder sie organisieren
Morgenmeditationen am Badesee, Streckenwettbewerbe, Vorträge von
Paraglidern und Wanderausflüge. Am Abend steht der Austausch übers
Fliegen im Fokus: Es gibt Lagerfeuer, Musik und «Bring and
Share»-Barbecues.
Die Themen Glaube und christliches Handeln
spielen dabei immer eine Rolle. Während der Corona-Krise entwickelte
Weber einen Sponsorenlauf – nur eben in der Luft. Bei «Fly and Share»
sammeln Paraglider Geld für humanitäre Projekte. 2020 kamen mit 70
Beteiligten so 8'000 Euro zusammen. Ausserdem lädt «Para-Dise» zum
Sammeln ausgedienter Gleitschirmrettungsgeräte für das Projekt «Karma
Flights» ein. Sie werden als Abwurffallschirme für Hilfsgüter in Nepal
wiederverwendet.
Viele Leute schätzten es, «dass wir als Christen
nicht versuchen, jemandem etwas überzustülpen», sagt Weber. Kritik an
der Institution Kirche habe er akzeptiert, aber auch heraushören wollen,
woher sie komme. «Viele haben als Jugendliche schlechte Erfahrungen mit
Kirche gemacht», sagt er.
Rund 42'000 Gleitschirmpiloten sind
laut dem Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverband (DHV) allein in
Deutschland unterwegs. Die prozentual stärksten Zuwächse gibt es nach
Angaben von DHV-Referent Benedikt Liebermeister in Nordrhein-Westfalen,
Hessen und Rheinland-Pfalz.
«Glauben nicht nur mit dem eigenen Klüngel leben»
Über «Para-Dise» hat Weber auch Kontakte mit anderen Paraglidern
geknüpft. Etwa mit dem Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) Baden
und dessen einstigem Vorsitzenden Ekkehart Roth, einem begeisterten
Gleitschirmflieger. «Häufig spielen Glaube und Kirche beim Hobby gar
keine Rolle, da steckt aber eine grosse Chance drin», sagt der
67-Jährige.
Eigentlich habe er immer gerne Segelflieger werden
wollen, erzählt er. Das sei aber für ihn als Familienvater zu
zeitaufwendig gewesen. Irgendwann rückte das Gleitschirmfliegen in den
Blick. Roth fragte im CVJM herum, fand Interessierte und suchte mit
ihnen eine Flugschule. Dort erwarben sie die A-Lizenz zum freien
Fliegen. Seit 2005 bietet der CVJM Baden mit Sitz in Kraichtal nun
Gleitschirmfreizeiten an. Abends klingt der Tag bei einer Bibelarbeit
und Singen aus.
Die Teilnehmer reisen aus ganz Deutschland an.
Etliche hätten mit christlichen Gepflogenheiten aber nichts zu tun,
erzählt Roth. Sie werden von Flugschulen vermittelt oder finden den Weg
über die Homepage. «Ich bin vielen begegnet, die bei uns hängen
geblieben sind, als Freunde und als Menschen, die auch Schritte gewagt
haben im Glauben», sagt Roth. Ins Gespräch zu kommen, sei bei den
Busfahrten, dem Aufstieg zu den Startplätzen oder beim Warten auf die
richtige Thermik nicht schwer. «Die besten Gespräche hatte ich mit
Leuten, die nichts mit Kirche am Hut hatten», sagt Roth.
Christinnen
und Christen hätten sich in der Vergangenheit mehr oder weniger als
geschlossener Zirkel abgesondert, kritisiert Roth. Die Zukunft müsse
heissen, den Glauben nicht nur mit dem eigenen Klüngel zu leben, sondern
raus aus der Kirche zu gehen: «Egal ob Mountainbike oder
Gleitschirmfliegen.»
Momente, in denen man das Gefühl hat, der
Schöpfung nahe zu sein, gibt es beim Fliegen immer wieder, wie die
beiden Paraglider erzählen. Timon Weber ist sein bisher längster Flug in
besonderer Erinnerung: 268 Kilometer Luftlinie, zehneinhalb Stunden.
Auf 3'000 bis 4'000 Metern Höhe der Sonne beim Untergehen zuzuschauen,
so schwärmt er, sei einfach unvergesslich.
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Datum: 12.10.2021
Quelle: PRO Medienmagazin