Kein Nachruf

Können Gemeinden sterben?

Tatsächlich gelten die biblischen Aussagen über ewiges Leben nicht für einzelne Kirchen und Gemeinden. So kommt es vor, dass diese ihre Türen für immer schliessen müssen. Oft lässt sich das verhindern, manchmal allerdings nicht.
Eine protestantische Kirche als Ruine (Bild: Wikipedia)

Als ich das erste Mal in England an einem Kirchengebäude vorbeifuhr, an dem ein Schild «For Sale» stand (zu verkaufen), war ich schockiert. Hier war eine Gemeinde gestorben. Konnte so etwas überhaupt passierten? Offensichtlich. Durfte so etwas eigentlich geschehen? Das ist nicht so einfach zu beantworten. Denn es gibt unterschiedliche Gründe dafür, dass Gemeinden sterben.

Die Gemeinde an sich stirbt nicht

Zunächst aber ist es wichtig, eines festzuhalten: Eine einzelne Gemeinde kann durchaus aufgeben, sich auflösen, geschlossen werden oder – dramatisch ausgedrückt – sterben. DIE Gemeinde an sich wird bleiben. Als Gemeinde bezeichnet die Bibel die weltweite Gemeinschaft aller Christinnen und Christen zu allen Zeiten. Diese Mischung aus landes- und freikirchlichen Christen, aus Liberalen und Strenggläubigen, aus Männern und Frauen, aus den verschiedensten Nationen, Glaubensprägungen und Hintergründen macht das aus, was Paulus in seinen Briefen den «Leib» nennt: «Ihr aber seid der Leib des Christus, und jeder ist ein Glied daran nach seinem Teil» (1. Korinther Kapitel 12, Vers 27). Kann diese Verkörperung des Christus aus der Welt verschwinden? Nein. Denn sie ist unabhängig von Umständen oder menschlichem Zutun und Versagen. Das ist Chefsache. Darum kümmert sich Gott selbst. Deshalb sagt Jesus dem Prominentesten seiner Jünger auch zu: «Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen» (Matthäus Kapitel 16, Vers 18).

Manches Gemeindesterben ist «systembedingt» unabwendbar

Trotzdem kann eine Gemeinde vor Ort ihre Pforten schliessen, ohne dass sich das verhindern liesse. «Wenn du nur genug glaubst, wird das nie passieren», sagen manche, aber sie täuschen sich. Denn der Gedanke, dass permanentes Wachstum vorprogrammiert wäre, ist nicht von der Theologie, sondern von der Wirtschaft geprägt – und dort steht er stark in der Kritik. Tatsächlich gibt es etliche Ursachen für ein Gemeindesterben, das sich nicht verhindern lässt: Manchmal sind das Umwelteinflüsse. So wie in St. Laurentius im dänischen Jütland. Die Kirche wurde im 18. Jahrhundert schlicht ein Opfer der Wanderdünen. Manchmal sind das politische Ereignisse wie der Mauerfall. Als 1989 viele Ostdeutsche in den Westen «rübermachten», blieben manche Pastoren fast allein in ihren Gemeinden zurück. Manchmal ist das die wirtschaftliche und demografische Entwicklung in einem Gebiet. Wenn der einzige Arbeitgeber in einer ländlichen Region schliesst, die jungen Leute wegziehen und nur die Senioren übrigbleiben, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass der letzte Tante-Emma-Laden schliessen muss, aber die Kirche vor Ort gegen den Trend wächst. Manches Gemeindesterben hat solche Gründe – und es lässt sich nicht aufhalten.

Manches Gemeindesterben ist eine Haltungsfrage und muss nicht sein

Der US-Philosoph Thom Rainer nennt einige Gründe für das Sterben von angeschlagenen Gemeinden, die in der Haltung ihrer Leitung oder ihrer Mitglieder begründet sind. Er konstatiert:

  • Diese Gemeinden weigern sich zuzugeben, dass sie sehr, sehr krank sind.
  • Sie hoffen auf die Wunderwaffe «Superpastor».
  • Sie übernehmen keine Verantwortung.
  • Sie sind nicht bereit für Veränderungen – überhaupt nicht.
  • Ihre Lösungsvorschläge drehen sich nur um interne Verbesserungen.
  • Sie wünschen sich die Rückkehr ins Jahr 1985 … oder 1972 … oder 1959.

Rainer stellt ernüchtert fest: «Die meisten todgeweihten Gemeinden sterben auch.» Dabei sind diese – und manche andere – Punkte genau solche, die Gemeindemitglieder angehen können. Hier wird Gemeindeleben praktisch. Denn wenn Christinnen und Christen in solch einer Situation ihr Schicksal nicht als unabwendbar ansehen, sondern an sich selbst und ihrer Haltung arbeiten, dann kommt neues Leben in die Gemeinde.

Kein Nachruf

Regelmässig werden Kirche und Gemeinde totgesagt. Sie hätten keinerlei Zukunft, heisst es. Sie würden in den nächsten Jahren untergehen. Die Mitgliederzahlen würden nach unten weisen. Aber: Totgesagte leben länger. Gemeinde ist von der Bibel her gesehen kein Auslaufmodell. Einzelne Gemeinden werden tatsächlich schliessen müssen, aber DIE Gemeinde an sich stirbt nicht. Manches Gemeindesterben ist «systembedingt», aber vieles lässt sich nicht nur aufhalten, sondern neu beleben. Dabei sollte es weniger das Ziel sein, von gewaltigem Gemeindewachstum zu träumen, sondern am eigenen Wachstum zu arbeiten und den Rest Gott zu überlassen.

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Datum: 31.08.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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