Livenet-Talk

Was bedeutet die Exit-Strategie für die Kirchen?

Der Ausstiegsplan des Bundesrats legt klar fest: Gottesdienste fallen mindestens noch bis zum 8. Juni 2020 aus. Auch andere Aktivitäten wie Lager oder Kleingruppen-Treffen sind kaum möglich. Dennoch bleibt viel Spielraum für kreative Wege, Gemeinde zu leben und den Glauben zu bezeugen – in diesem Punkt waren sich die Gäste im Livenet-Talk vom 17. April 2020 einig.
Livenet-Talk mit Florian Wüthrich, Johannes Wirth, Brigitte Frei und Peter Schneeberger (Bild: Livenet)
Ausstiegsfahrplan des Bundesrats (Grafik: SRF)
Jungschar (Symbolbild)

Die Grundhaltung der Gäste beim Livenet-Talk war ähnlich: erst einmal Enttäuschung. Zumindest Peter Schneeberger, Präsident des Freikirchenverbands VFG, und GVC-Pastor Johannes Wirth hatten sich eine schnellere Lockerung für die Kirchen gewünscht. «Ich habe die tiefe Sehnsucht danach, die Leute aus meiner Gemeinde wieder einmal zu sehen», sagte Peter Schneeberger.

Doch das wird wohl noch etwas dauern. Denn auch wenn vermutlich ab Juni kleinere Versammlungen wieder erlaubt sein könnten, wird die Normalität in den Gemeinden wohl erst viel später einkehren. Da gebe es auch keine Kompromisse. «Allen ist klar, dass sie sich an die Weisungen des Bundesrats halten werden», beschrieb Schneeberger die Meinung vieler Freikirchenleiter, die sich am Freitagmorgen im Rahmen der Arbeitsgruppe «Wiedereinstieg nach Lockdown» trafen, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.

Leitfäden zur schrittweisen Normalisierung

Doch was genau bedeutet die Lockerung in der Praxis? Hierzu wird der Freikirchenverband eine Art Leitfaden zusammenstellen. Es sei eine Möglichkeit, mit Kleingruppen oder kleinen Gottesdiensten zu starten, doch müsste hierbei sichergestellt werden, dass die Hygienemassnahmen sowie die nötige Distanz eingehalten werden und Menschen mit Symptomen sowie Risikogruppen zu Hause bleiben. Man könne etwa Gottesdienste mit 50 Personen halten, der Rest schaue weiter von zu Hause aus den Livestream. Ähnliches hat die GVC in Winterthur vor: Johannes Wirth sprach von einem Ticketsystem, bei dem man ein Ticket zur Teilnahme am Gottesdienst reservieren könne, alle anderen nehmen von zu Hause aus teil. Auch werde die Gemeinde und der Verband «VFG – Freikirchen Schweiz» insbesondere für Kleingruppenleiter einen Leitfaden erstellen.

PR-Beraterin Brigitte Frei, die ebenfalls am Talk teilnahm, erklärte dagegen, dass ihre relativ kleine Gemeinde gerade erst «heimisch» geworden sei im Umgang mit dem Livestream und dies sicher noch gut weiterführen könne. Auch bei anderen Kirchen war die Situation zu Beginn nicht einfach – doch man wurde kreativ. Peter Schneeberger berichtet etwa von einer kleinen Gemeinde, die jeden Tag Postkarten an ihre Mitglieder verschickt. Andere Gemeinden drucken jeweils die Predigt aus und werfen sie in die Briefkästen ihrer Mitglieder ein, weil sie keinen Livestream durchführen können. Eine andere Kirche schickte Mitglieder mit Mundschutz zu den älteren Gemeindegliedern, um ihnen Zoom einzurichten.

Religionsfreiheit angeschnitten?

Auf den Vorwurf diverser Seiten, die Religionsfreiheit sei in der Schweiz bedroht, reagierten alle drei Gäste empört. «Es geht nicht darum, die Kirchen zu verbieten, sondern Menschen zu schützen», sagte Johannes Wirth. Dies habe nichts mit der Religionsfreiheit zu tun – vielmehr hörten jetzt über die Livestreams deutlich mehr Menschen bei den Predigten zu als vorher. Ebenso sieht es Brigitte Frei: Menschen, die behaupten, in der Schweiz würde die Religionsfreiheit eingeschränkt, sollten vielmehr dort im Ausland auf die Barrikaden gehen, wo Christen wirklich verfolgt würden, und nicht in einem Pandemiefall eines demokratischen Staates, in dem sogar das Datum bekanntgegeben wird, an dem sich die Kirchen wieder versammeln dürfen.

Dennoch ist das Leben weiterhin eingeschränkt. Der Bundesrat mahnte bei der Präsentation des Ausstiegsplans, jetzt nicht leichtsinnig zu werden. Trotz allem ist es laut Peter Schneeberger wichtig, Gemeinschaft zu leben: «Unser Glaube braucht Ausdruck in der Gemeinschaft», insbesondere für Singles, die zu Hause eben nicht eine Familie um sich haben. Hier schlägt der VFG-Präsident Gebetsspaziergänge zu zweit oder zu dritt vor, solange man die Distanzregel einhält.

Bangen um die Jugendcamps im Sommer

Und wie sieht es mit Sommerlagern und Jugendfreizeiten aus? Internationale Lager werden laut Schneeberger vermutlich nicht durchgeführt werden können, da der grenzüberschreitende Verkehr längerfristig problematisch ist. Doch bei nationalen Lagern besteht eine gewisse Chance, dass Aktivitäten möglich sind. Dazu Peter Schneeberger: «Wir hoffen, dass es Sommerlager geben wird, auch weil unsere Kinder jetzt so lange 'eingesperrt' waren.» Eine andere Möglichkeit, angesprochen von Johannes Wirth, sind Kids-Days, welche Gemeinden auch zur Entlastung der Eltern kurzfristig durchführen könnten. Doch ob das wirklich möglich ist, wird vermutlich erst im Mai vom Bundesrat bestimmt.

Hier können Sie den Talk in voller Länge anschauen:

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Datum: 18.04.2020
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet

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