«Schwerwiegender Eingriff»

Sachsen lockert Gottesdienst-Verbot

Ab Montag sind im deutschen Bundesland Sachsen religiöse Feiern im kleinen Kreis wieder erlaubt. Auch andere Bundesländer suchen mit den Religionsgemeinschaften nach Lösungen.
Peter Hahne (Bild: peter-hahne.de)

Das im Osten Deutschlands gelegene Sachsen erlaubt ab Montag als erstes Bundesland in der Corona-Krise wieder Gottesdienste. Dies allerdings nur im kleinen Rahmen mit bis zu 15 Teilnehmern. Auch in anderen Bundesländern mehren sich die Anzeichen, dass Gläubige bald wieder öffentlich zusammen Gottesdienste feiern können, wie die Nachrichtenagentur kath.ch meldet.

«Überaus schwerwiegender Eingriff in Religionsfreiheit»

Noch am vergangenen Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela mitgeteilt, dass etwa Coiffeure, Auto- und Buchhändler, Zoos und Bibliotheken vorsichtig wieder öffnen dürften. Religiöse Veranstaltungen aber solle es auch weiterhin nicht geben.

In Deutschland wird (wie üblich) mit deutlich härteren Bandagen als in der Schweiz um das Gottesdienstverbot gekämpft. So hat das Bundesverfassungsgericht am 13. April entschieden, dass das Versammlungsverbot in Kirchen ein überaus schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit sei. In der aktuellen Corona-Pandemie habe der Schutz vor «Gefahren für Leib und Leben» aber Vorrang. Zugleich hatten die Richter eine ständige Überprüfung des Verbots angemahnt.

Hahne: «Keine Diktatur hat das bisher geschafft»

Zu den prominentesten Kritikern des Gottesdienstverbots gehört der ehemalige ZDF-Moderator Peter Hahne. Er hält die Gottesdienstverbote für einen Skandal. «Wenn im Supermarkt Leute eng an der Kasse stehen, warum sollte ich nicht in der Kirche mit Abstand einen Gottesdienst feiern», fragt Hahne wenige Tage vor Ostern und stellte provokativ fest: «Weder die braune Diktatur, noch die rote bis 1989 hat das jemals hingekriegt oder angeordnet, dass Gottesdienste nicht stattfinden». Dem widersprach der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, deutlich und rief dazu auf, die Infektionsschutzvorgaben einzuhalten. «Wie kleingläubig muss man sein, wenn man meint, dass der Glaube wegbricht, wenn man in diesen Ausnahmezeiten nicht in den Kirchen feiern kann» so Bedford-Strohm. Es gebe viele Möglichkeiten, die Botschaft des Evangeliums nicht nur mit Worten, sondern auch mit eigenem Handeln zu bezeugen. «Dazu gehört, dass wir keinen Menschen unnötigen Risiken aussetzen», so der EKD-Ratsvorsitzende. 

Lockerungstendenzen erkennbar – Freiversammlungen möglich

Inzwischen sind Lockerungstendenzen erkennbar. Nach einem Gespräch im Bundesinnenministerium am vergangenen Freitag bereiten sich Vertreter der grossen Religionsgemeinschaften auf eine Wiederaufnahme von öffentlichen Gottesdiensten vor. Sie arbeiten an Vorschlägen, wie eine Lockerung funktionieren könnte; der Konsens sei, so Bedford-Strohm, dass Gottesdienste unter Einhaltung hygienischer Regelungen und Mindestabstände möglichst bald nach dem 30. April wieder erlaubt werden sollten.

In Greifswald im Norden Deutschlands bestätigte das dortige Oberverwaltungsgericht das grundsätzliche Versammlungsverbot. Es erwähnte aber ausdrücklich, dass auf Antrag religiöse Zusammenkünfte unter freiem Himmel abgehalten werden könnten. Nach einer Verordnung der Landesregierung können Versammlungen, die draussen stattfinden, ausnahmsweise genehmigt werden, wenn die Gesundheitsbehörde dem zustimmt.

Schweiz: Bischof Gmür enttäuscht

Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der Basler Bischof Felix Gmür, zeigt sich vom aktuellen Fahrplan des Bundesrats zur Lockerung der Corona-Massnahmen enttäuscht, nach dem öffentliche Gottesdienste frühestens am 8. Juni stattfinden dürfen. Die Kirchen seien keine Freizeitbetriebe, sondern dienten der Gesellschaft auf vielfältige Weise mit Hilfs- und Unterstützungsleistungen, sagte Gmür gegenüber der «Schweiz am Wochenende» (18. April). Die SBK will der Regierung nun ein Schutzkonzept vorlegen, damit Gottesdienste unter bestimmten Bedingungen schon bald wieder öffentlich stattfinden können.

Hier können Sie passend zum Thema den Livenet-Talk «Was bedeutet die Exil-Strategie für Kirchen?» anschauen:

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«Best Practices» im Zoom-Talk: «Sehr ermutigend, was in der Gemeinde passiert»
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Datum: 20.04.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Kath.ch / ARD

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