Kommentar

Verantwortung für Gottes Schöpfung

Bauer
Globus

Der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang, sehnt sich nach dem Tag, “wo alle Landwirtschaft in Verantwortung vor Gottes Schöpfung betrieben wird”. Dazu gehörten die Achtung vor der Natur, die artgerechte Haltung von Tieren sowie der Verzicht auf genmanipuliertes Saatgut, sagte Huber in einem Gottesdienst anlässlich der grössten Landwirtschaftsausstellung der Welt, der “Internationalen Grünen Woche” in Berlin.

Er besuche die Messe gern, bekannte der Bischof in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, denn sie bringe “die Herrlichkeit der Schöpfung auf eigene Weise mitten in die Grossstadt”. Den Besuchern werde vor Augen geführt, wovon sie leben. “Erinnert wird an die Situation der Menschen, die auf Gottes gute Gaben angewiesen sind, erinnert wird aber auch an die Situation der Menschen, die dafür sorgen, dass diese Gaben Tag für Tag auf unseren Tisch kommen.”

Insgesamt sind 1.550 Aussteller aus 54 Ländern auf der Messe, die am 26. Januar zu Ende geht.

KOMMENTAR

Bruno Graber

Ökologische Verantwortung übernehmen

Gott schuf einen Lebensraum für alle Geschöpfe. Doch der Mensch hat es geschafft, durch seine Art des Wirtschaftens mit den geschenkten Gütern die Lebensgrundlage aller zu gefährden, den Planeten Erde an den Rand der Belastbarkeit zu bringen.

Planet am Ende?

Als vor 30 Jahren die ersten wissenschaftlichen Berichte erschienen, die vor einem ungehemmten Wachstum und vor Leichtgläubigkeit gegenüber dem technisch-industriellen Fortschritt warnten, wie die berühmte Studie "Die Grenzen des Wachstums", da kam es in den 70er-Jahren zu heftigen Debatten zwischen Fortschrittsgegnern und Fortschrittsbefürwortern. Dieser Streit liegt hinter uns, die Probleme der gefährdeten Schöpfung vor uns. Denn inzwischen ist die Tatsache unleugbar, dass die Menschen durch ihre Art des Wirtschaftens den Planeten Erde an den Rand des Abgrunds gebracht haben.

Kirche und Schöpfung

Das Aufkommen der Umweltthematik in den 70er-Jahren zwang auch die Kirchen zu Stellungnahmen. Eine erste Verlautbarung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Jahr 1980 trug den programmatischen Titel "Zukunft der Schöpfung – Zukunft der Menschheit" und begann mit der Feststellung: "Der Mensch darf nicht alles, was er kann." Im Jahr 1985 folgte eine gemeinsame Erklärung mit dem Rat der Evangelischen Kirche (EKD) "Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung". Auf europäischer Ebene ist das Schlussdokument der "Europäischen Ökumenischen Versammlung Frieden in Der Mensch hat die Erde ausgebeutet und heruntergewirtschaftet. Um das Ruder noch herumzureissen, ist mehr Einsatz gefordert zur Bewahrung von Gottes guter Schöpfung.

„Gerechtigkeit" (1989 in Basel) muss man auch hervorzuheben. Wie der Titel deutlich macht, wird darin der Zusammenhang der ökologischen Problematik mit den Grundfragen Frieden und Gerechtigkeit behandelt. Wie eng diese Fragen miteinander verwoben sind, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung in den Industriestaaten 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen. Dieses unser Wohlstandsmodell, auf alle Menschen übertragen, würde die Kapazität der Erde überfordern. Änderungen an diesem "aufwendigen" Lebensstil forderte die Versammlung in Basel von allen Christen in Europa.

Viele haben in den letzten Jahrzehnten begonnen, konkret Rücksicht auf die Schöpfung zu nehmen. Das beginnt mit Kleinigkeiten wie dem Mülltrennen und der Abfallvermeidung, dem bewussten Einkauf von umweltverträglich hergestellten und fair gehandelten Produkten, der kritischen Sichtung und Änderung des eigenen Konsumverhaltens, um Energie und Ressourcen einzusparen.

Wissenschaftsgläubigkeit

Die moderne Naturwissenschaft lebt wesentlich von der "Entzauberung der Natur", und hat sich zu einem der bedeutsamsten Mittel menschlicher Naturbeherrschung entwickelt. Die segensreiche Wirkung ihrer Erkenntnisse und ihrer technischen Nutzung in vielen Bereichen des menschlichen Lebens kann niemand im Ernst leugnen wollen. Doch spätestens seit der Entdeckung der Atomenergie erwachte im allgemeinen Bewusstsein ein Gespür für die Zwiespältigkeit dessen, was früher stolz als "der wissenschaftlich-technische Fortschritt" gefeiert wurde.

Bei aller Kritik an der Wissenschaft dürfen wir nicht vergessen, was wir ihr verdanken. Die moderne Forschung öffnet uns auch auf ganz neue Weise die Augen für die Wunder der Schöpfung und nicht zuletzt für ihre ästhetische Qualität. Die Raumfahrt hat uns erstmals in der Menschheitsgeschichte einen Blick auf unseren eigenen Planeten ermöglicht, und die Astronomie liefert tagtäglich Bilder von atemberaubender Schönheit. Je mehr wir in mikroskopische Tiefen eindringen oder in astronomische Weiten vorstossen, desto klarer wird uns, wie sehr die Schöpfung unsere Fassungs- und Vorstellungskraft übersteigt.

Die Geschichte lehrt, dass die christlichen Kirchen das notwendige Umdenken bei sich selbst beginnen müssen. Die Verantwortung des Menschen gegenüber dem Schöpfer einzuschärfen, scheint der richtige Weg zu sein.

Seit Urzeiten haben die Menschen auf dieser Erde ihre Abhängigkeit vom Wetter als eine Gegebenheit von elementarer Zweideutigkeit erlebt: die Sonne lockt das Grün der Blume hervor, aber sie verbrennt auch das Gras. Das Wasser befeuchtet die Erde, aber es kann sie auch fortreissen. Die Verehrung der Naturkräfte ging deshalb Hand in Hand mit der Angst vor den Naturgewalten. Wissenschaft und Technik halfen, diese Angst zu bewältigen, indem sie dazu beitrugen, die Naturgewalten zu bändigen und menschlichen Interessen dienstbar zu machen. Das Gefühl für die Unendlichkeit des Raumes verführte die Menschen dazu, sich über die langfristigen Auswirkungen ihres Handelns auf den Boden, die Luft oder das Wasser keine Gedanken zu machen. Allmählich aber wird uns klar, dass viele Naturkatastrophen eigentlich keine Naturkatastrophen, sondern katastrophale Folgeerscheinungen menschlicher Unternehmungen sind, unter denen Landwirtschaft, Industrie, Verkehr und Tourismus die grösste Rolle spielen.

Es steht heute fest, dass wir Menschen tatsächlich die klimatischen Bedingungen unseres Planeten verändern, ohne die wahrscheinlich verheerenden Folgen auch nur überblicken, geschweige denn korrigieren zu können. Unser auf Naturbeherrschung angelegtes Handeln stösst hier endgültig an eine prinzipielle Grenze. Diese Einsicht macht uns deutlich, dass wir den Respekt gegenüber den grundlegenden Bedingungen unseres Lebens, die ausserhalb unserer Macht stehen und die wir als von Gott gesetzt begreifen, wiedergewinnen müssen.

Zu einem schöpfungsgerechten Lebensstil und einer schöpfungsgerechten Gesellschaftsordnung gehört deshalb eine schöpferische Neuordnung unseres Wertsystems: In Ausübung seiner Verantwortung hat der Mensch Rücksicht zu nehmen auf den Eigenwert der Welt, der auf dem Willen des Schöpfers gründet.(idea.de/Kirche und Umwelt)

Datum: 22.01.2003
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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