Glauben predigen oder leben?

Livenet-Talk «Wenn Unrecht und Not zum Himmel schreien»

Welche Verantwortung haben Christen in Bezug auf die Probleme und die Ungerechtigkeit dieser Welt? Über diese und andere Fragen sprechen drei spannende Gäste im Livenet-Talk.
Armenviertel
Tania Woodhatch
Peter Seeberger
Christian Salvisberg

Sind die Katastrophen und Probleme dieser Welt grenzenlos? Wieweit ergibt unser Engagement überhaupt Sinn? Ist letztlich nicht alles nur ein Tropfen auf den heissen Stein?

Die Talkgäste

Tania Woodhatch ist Geschäftsführerin der Sozialfirma Würzmeister. Hier finden Menschen Beschäftigung und einen Ort, wo Leben geteilt wird.

Seit vielen Jahren lebt Peter Seeberger dafür, seinen Glauben mit praktischen Taten in Verbindung zu bringen – als Missionar, Bibelschullehrer, Unternehmer, Pastor oder Leiter von StopArmut.

Der dritte Gesprächsparter, Christian Salvisberg, versucht als Pastor Christen zu motivieren, dort Verantwortung zu übernehmen, wo Gott sie hingestellt hat. In der Familie, im Beruf, in der Politik oder wo auch immer sie sind.

Welche Verantwortung haben wir im Blick auf Krisen und Katastrophen?

Tania Woodhatch will mit einem veganen Lebensstil oder einem möglichst verpackungsfreien Einkaufen ihren Teil für Nachhaltigkeit leisten. Es sei aber unmöglich, alles richtig zu machen und sie ruft dazu auf, dass jeder macht, was er kann. «Ob es ums Spenden geht oder um ein Engagement: Jeder muss entscheiden, welcher Beitrag für ihn möglich ist.»

«Wir müssen glaubhaft sein», sagt Peter Seeberger. Wir können nicht über Gerechtigkeit sprechen, ohne Bereitschaft zum Verzicht. «Wir müssen global denken», erklärt er und spricht über Produkte aus aller Welt. «Es geht uns etwas an, ob sie fair produziert sind.»

Lohnender Verzicht oder ungesundes Asketentum

Peter Seeberger suchte Orte der Ungerechtigkeit auf, er will seine Augen vor den Problemen dieser Welt nicht verschliessen. Gleichzeitig betont er die Wichtigkeit, nicht am eigenen Körper Raubbau zu betreiben, um möglichst viel zu helfen. Tania Woodhatch schliesst sich dem an und erzählt, wie wichtig es für sie ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen.

Auch Christian Salvisberg achtet auf sich selbst, ergänzt aber, dass etwas mehr Opferbereitschaft möglich wäre. Das Thema wird am Ende des Talks noch einmal aufgegriffen, als das Martyrium von Beatrice Stöckli angesprochen wird. Peter Seeberger kannte sie persönlich und weiss, dass sie das Martyrium bewusst in Kauf nahm. Dies kann tatsächlich der Preis konsequenter Nachfolge sein.

Evangelium leben oder predigen?

Die Leute, mit denen Tania Woodhatch arbeitet, sind Angehörige verschiedener Religionen. «Ich bete vor dem Essen, weil es mein Anliegen ist, Gott zu danken.» Die Bibelverse an der Wand sollen nicht provozieren. «Sie sind einfach Teil unseres Lebens.»

«Unser Leben soll die lauteste Botschaft sein», sagt auch Christian Salvisberg. «Unsere Taten können aber nicht alles ausdrücken. Es braucht Worte.» Peter Seeberger sieht die Herausforderung, Verkündigung und Lebensstil in guter Balance zu halten. «Für mich braucht es meist eine Art Einladung, um über meinen Glauben zu sprechen.» Er freut sich immer, wenn es zum Austausch über den Glauben kommt. Dies muss aber natürlich geschehen.

Wie kann die Kirche für die Gesellschaft relevanter werden?

Ist es wichtig, dass sich die Kirche für Aktionen wie die Verantwortungsinitiative einsetzt? Tania Woodhatch, die selbst politisch aktiv ist, findet es nötig, dass die Kirche die Stimme erhebt und sagt: «Es ist nicht ok, wenn Konzerne Menschen ausbeuten und die Umwelt zerstören.» Die Kirche sei ja nicht für den Gottesdienst da, sondern für den Alltag.

Auf die Frage, ob sich Kirchen und Pastoren in politische Themen einmischen sollen, sagt Christian Salvisberg: «Bei politischen Themen, wie beispielsweise ein Bauprojekt, halte ich mich als Pastor gerne raus. Bei Themen mit moralischer Bedeutung glaube ich, dass wir Stellung nehmen dürfen und sollen.» Er muss dies nicht einmal als politisch bezeichnen. «Es ist einfach Ausdruck praktischer Nachfolge.»

Über Samen und Früchte

Wenn Menschen zu einer lebendigen Beziehung mit Gott finden, wirkt sich dies in der Beziehung zu Mitmenschen, der Natur und allem anderen aus. Christian Salvisberg erklärt: «Engagement in Politik, Wirtschaft oder Umweltschutz sind Ausdruck des Evangeliums. Man könnte sagen: Das Evangelium ist der Same und das Engagement die Frucht. Wir müssen diesen Zusammenhang verstehen und die beiden Dinge nicht gegeneinander ausspielen.» Er plädiert jedoch stark dafür, das Evangelium zu verkünden. «Dies kann sonst niemand tun.» Wünschen wir uns, dass dadurch noch viel mehr dieser guten Früchte sichtbar werden. Peter Seeberger wünscht sich auf jeden Fall, dass die Frucht des Evangeliums mehr Einsatz für globale Gerechtigkeit zu Tage bringt.

Verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen

Tania Woodhatch empfindet, dass die Kirche einen schlechten Umgang mit Geld und zeitlichen Ressourcen hat. Zu viel drehe sich um den sonntäglichen Gottesdienst, während die Not um uns herum stillschweigend zur Kenntnis genommen wird. Christian Salvisberg muss eingestehen, dass hier tatsächlich Veränderung nötig ist, weist andererseits aber auch auf das Engagement vieler Christen hin, die sich der Not in ihrem Umfeld annehmen und tatkräftig anpacken.

Den vollständigen Talk anschauen:


Zum Thema:
Extreme Armut raubt Würde: Das Evangelium ganzheitlich leben
Globale Ungerechtigkeit: «Der Friede beginnt bei mir»
Für Menschen in Not: 10'000 Mahl­zei­ten beim Hope Hou­se in Zü­rich ab­ge­ge­ben

Datum: 17.10.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung