Er streifte mit 600 Desperados herum
«David – Ein 'Mafiaboss' wird König». Bei Livenet gibt er einen Einblick in das Leben des
prominenten Königs.Livenet: Richard Wiskin, Sie bezeichnen David als «Mafiaboss». Warum dieses Wort?
Richard Wiskin: Zuerst
sprach alles für David. Nach dem Sieg über Goliath war er der grosse Held in
Israel. Er besiegte den Feind, die Frauen jubelten ihm zu und er erhielt die
Königstochter als Braut. Doch dann wendete sich das Blatt. Sein Schwiegervater
wollte ihn umbringen. Der noch amtierende König fürchtete, dass David an seine Stelle
treten könnte – was ja auch in Gottes Plan war. Und so musste er fliehen.
Zuerst schlossen sich ihm Leute aus seiner eigenen Sippe an, da auch sie in
Gefahr waren. Nach und nach kamen andere dazu. Menschen mit Dreck am Stecken,
die verschuldet waren, die aus irgendeinem Grund auf der Flucht waren. Söldner,
Staatenlose, Leute, die vom Raub leben, die sich über Wasser halten mussten.
Solche boten sich Königen als Söldner an. Einige scharten sich damals auch um
David. Sie lebten zusammen in der Wildnis. Alles war trocken, man konnte keine
grosse Schafherde haben, weil Sauls Truppen sie entdeckt hätten. Sie mussten sich also verstecken. Am Ende waren es
600 Mann, viele von ihnen waren wirkliche Desperados. Manche brachten Frauen
und Kinder mit. David musste Tag für Tag Essen und Schutz für all diese Leute
bieten. Wie konnte er das tun? Freundlich Gesinnte können ihm etwas zustecken,
aber das geht ein Jahr, und die Hilfe reicht nicht aus.
Also war David ein Mafioso ...
... die Bibel sagt klipp und klar, dass sie von
Überfällen lebten. Er hat Streifscharen ausgeschickt. Die haben Dörfer und
Siedlungen überfallen. Davon haben sie sich ernähren können. Später setzte er
einen reichen Geschäftsmann unter Druck und verlangte Schutzgeld. Das sind
alles Mafia-Methoden. Er war ein Mann seiner Zeit, wir dürfen ihn nicht mit der
heutigen Situation messen, er hatte auch eine rauhe Sprache.
Interessant war, dass er immer dann, wenn er in der Klemme war, nach Gott suchte. Er liess sich auch etwas sagen, zum Beispiel als eine Frau auf ihn zukam und ihm vorwarf, dass er sich versündigt habe. Später bittet er Gott, dass er ihm die Sünden seiner Jugend vergibt. David war am Lernen und er war bereit zu lernen. Er war ein Mann nach dem Herzen Gottes. Dieser Mann wurde nicht errettet, weil er ein Musterknabe war. Er wurde errettet, weil Gott Sünden vergibt.
Das perfekte
Beispiel, dass jeder Mensch eine zweite Chance hat?
Ja, jeder Mensch hat eine Chance vor Gott. Gott bietet sie
an. Die Frage ist, ob man sie annimmt und sich von ihm etwas sagen lässt. David war «raubauzig», aber wenn er eines auf den Deckel
bekam und realisierte, dass Gott mit ihm sprach, dann hat er das kapiert. Das
machte ihn aus.
Wird David heute zu
romantisch dargestellt?
Ja, blondes Haar, blaue Augen, der perfekte Sonntagsschüler
– das war er nicht. Ich finde es nicht gut, wenn wir ihn romantisieren und
daraus schliessen, «du kommst in den Himmel, weil du ein braver Bursche bist».
Er kam in den Himmel, weil er als Sünder errettet wurde, Punkt.
Sie forschen in der Landschaft, wo die biblischen
Ereignisse stattgefunden haben. Was entdecken Sie dort?
Es wird in der Bibel erwähnt, dass die Geschichte von König
David aus drei Berichten zusammengesetzt ist. Drei verschiedene Leute,
die Augenzeugen waren, wirkten dabei mit: Der Prophet Samuel, der
Prophet Gat und auch der Prophet Nathan. Samuel am Anfang seines Lebens, Gat in
der Mitte, wo David vor Saul geflohen ist und Nathan später, als David König
wurde. Und alle diese Berichte wurden zu einem zusammengewoben. Das Gelände
lässt sich orten, auch jene Stelle, an der David und Goliath gekämpft haben. Es
sind sehr viele Dinge, die entdeckt wurden.
Kein Archäologe in Israel würde behaupten, es habe David nie gegeben. Von einem heidnischen König fand man den Teil einer Siegesstele, ein Stein, auf dem einiges eingraviert war, unter anderem der Begriff «Haus Davids». Früher haben einige bezweifelt, dass es David gegeben hat. Das kann man heute nicht mehr. Es gibt immer mehr ausserbiblische Hinweise und Fundstücke. Je mehr man die Sachen erforscht, kommt ein Mosaiksteinchen nach dem anderen ins Bild und man sieht, dass dies nicht Legenden und Heldensagen sind, sondern wahre Begebenheiten, die dort sehr präzis geschildert werden.
Entdeckt wurde auch
eine Burg in der Gegend, ein neuerer Hinweis auf David – worum geht es da?
Über dem Tal, in dem David und Goliath kämpften, haben die
Philister einen Lagerplatz gehabt. Und dorthin wären sie wiedergekommen. Denn
von dort aus hätten sie die jüdische Festung auf der anderen Seite vom Tal
wieder bedrohen können. In der Zeit unmittelbar nach dem Kampf Davids haben die
Israeliten dort eine grosse Festung errichtet und diese etwa vierzig Jahre lang
benutzt. Sie wird nun erst seit dem Jahr 2008 ausgegraben, die Arbeiten sind
also noch lang im Gange. Das ist neu und passt genau ins Bild. Man wartete
nicht, bis die Philister wiederkommen, sondern befestigte diesen
strategischen Punkt noch besser.
Manche zweifeln an der Geschichte von Davids Kampf gegen
Goliath. Doch inzwischen sind ausserbiblische Hinweise auch für Goliath zu
finden?
Goliath ist kein semitischer Name. Er ist nicht von einem
hebräischen Namen abgeleitet. Für Sprachgelehrte ist er fremdartig. Manche
sagten, ob es so etwas überhaupt gegeben hat, weil man die Sprache nicht
kannte.
Wir haben nun bei unserer Ausgrabung in Gath, der Stadt von Goliath, Namen gefunden, die in derselben Sprache sind, wie jene, die den Namen Goliath beheimaten. Es sind Namen, die ähnlich tönen wie Goliath. Sie stammen aus der gleichen Zeit wie er. Hier haben wir also ausserbiblische Hinweise auf Goliath, es sind nicht erfundene Namen, die aus dem Blauen gegriffen sind, sondern auch diese Namen passen in das Bild der Ausgrabung.
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Datum: 07.09.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet