Andrea di Meglio

Wenn Liebe und Wahrheit sich wiederfinden

Was ist Wahrheit? Wie können wir diese erkennen? Um solch schwierige, aber genauso wichtige Fragen beantworten zu können, lohnt es sich, einen Blick auf Jesus, Gott und die Liebe zu werfen...
Nach der Wahrheit suchen
Andrea di Meglio (Bild: zVg)

Am 25. Dezember 2021 um 13.20 Uhr Schweizer Zeit wurde das James-Webb-Teleskop in das Weltall geschleudert. James Webb soll es den Wissenschaftlern ermöglichen, erdähnliche Planeten zu entdecken, potenzielles ausserirdisches Leben zu sichten und den Ursprung des Universums aufzuklären. Mit anderen Worten: «Die Wahrheit» oder der Ursprung des Universums soll mit dem James-Webb-Teleskop aufgedeckt werden.

Eigentlich ist es pure Ironie, dass das James Webb, welches den Ursprung des Universums aufdecken soll, am 25. Dezember gestartet wurde – an dem Tag, an dem wir den Geburtstag desjenigen feiern, der der Ursprung von all dem ist, was wir sehen und nicht sehen. Die NASA hat übrigens in den letzten Jahren mehrere hundert Milliarden Dollar für Weltraumreisen ausgegeben, um «der Wahrheit» oder dem Ursprung des Universums auf die Spur zu kommen.

Die Frage nach Wahrheit

«Was ist Wahrheit?» Das ist eine Frage, die von Generationen zu Generation immer wieder gestellt wird. Sie schallt als Echo durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch. Denn die Menschheit ist seit langer Zeit auf der Suche nach Wahrheit. Auch als Jesus vor Pilatus steht, stellt Pilatus ihm die Frage (Johannes, Kapitel 18, Vers 38): «Was ist Wahrheit?»

Ich glaube, dass der Herr unseren Fokus bezüglich dieser Frage verändern will. Was wäre, wenn die Frage sogar falsch ist und wie folgt gestellt werden sollte: «Wer ist Wahrheit?» Pilatus, der die Wahrheit vielleicht wirklich suchte, erkannte nicht die personifizierte Wahrheit, welche vor ihm stand. Es ist ebenso interessant festzuhalten, dass Jesus, der die Wahrheit ist und kennt, zehn Kapitel zuvor gesagt hatte, wenn man die Wahrheit erkennt, ist man frei (Johannes, Kapitel 8, Vers 32), und nun gefangen genommen wird. Wahrheit macht immer innerlich frei. Viele rennen den Scheinwahrheiten nach, welche sie äusserlich frei zu machen scheinen. Doch dies bedeutet noch lange nicht, dass sie innerlich frei werden.

Jesus, der das Mass der Wahrheit ist, steht vor Pilatus und dieser fragt ihn: «Was ist Wahrheit?» Symbolisch gesprochen ist dieses Bild enorm wertvoll: Wie oft suchen wir nach der Wahrheit, haben sie vor unseren Augen und erkennen sie nicht? Diese Tatsache gilt auch für die Jesus fernstehenden Menschen in Bezug auf den Glauben. Denn viele bestaunen die unendliche Komplexität des Universums oder die Schönheit der Natur und erkennen in diesen Kunstwerken nicht den Künstler. Und aufgrund des Erschaffenen, welches sie sehen, wird niemand ohne Entschuldigung vor Gott sein können (Römer, Kapitel 1, Vers 20). Sie sehen die Wahrheit, ohne sie zu erkennen.

Wahrheit muss erkannt werden

Ein Problem unserer Gesellschaft ist, dass wir heute Experten darin geworden sind, Wahrheit weiterzugeben, doch Nieten darin, Wahrheit zu akzeptieren. Denn sobald unsere Vorstellung von Wahrheit nicht mit der Wahrheit übereinstimmt, wollen wir die Wahrheit nicht erkennen. Wir legen mehr Wert darauf, «unsere» Wahrheit auszuleben, als der Wahrheit nachzugehen, die glaubwürdiger ist als wir. Das heisst, wir glauben eigentlich, dass Lügen uns zur Wahrheit führen, und stellen damit infrage, dass es wirklich eine Wahrheit ausserhalb von uns braucht.

Lügen aber bringen uns nicht dorthin, wo die Wahrheit uns hinführt. Denn Jesus sagte, dass wir die Wahrheit erkennen werden und die Wahrheit uns frei macht. Die Wahrheit für sich allein genommen macht uns nicht frei. Es gibt viele Wahrheiten, aber sie machen uns nicht frei. Es ist die Wahrheit, die wir erkennen, welche uns frei macht. Und wenn die Wahrheit, die wir erkennen, uns frei macht, halten die Lügen, die wir glauben, uns gefangen. Viele haben die Wahrheit so sehr verbogen, dass sie zerbrochen ist – und dabei auch der Mensch, der sie glaubte.

Wir können eine Lüge nur dann identifizieren, wenn wir anerkennen, dass es eine Wahrheit ausserhalb von uns gibt. Denn die grosse Gefahr ist: Wenn wir nur «unsere» Wahrheit ausleben, zeigt dies auf, dass wir die Quelle des Wahren sind. Aber wenn wir der Wahrheit nachgehen, bekennen wir, dass es eine Wahrheit ausserhalb von uns gibt, welche glaubwürdiger ist als wir. Und ist es nicht interessant, dass die Menschen, die uns am nächsten sind, diejenigen sind, denen wir am meisten vertrauen, weil sie uns die Wahrheit sagen? Denn wir sind am stärksten von denen enttäuscht, die unser Vertrauen missbraucht haben oder uns nicht die Wahrheit gesagt haben. Hier sehen wir, dass es eine wunderschöne Beziehung zwischen der Wahrheit und dem Vertrauen gibt. Eine intime, authentische und gesunde Beziehung kann ohne Wahrheit nicht existieren. Denn ohne Wahrheit gibt es kein Vertrauen.

Die ultimative Wahrheit existiert also nur, weil wir Gott vertrauen können. Unsere Wahrheiten sind flexibel und definitiv nicht vollkommen. Aber Gott, der die wahre Wahrheit ist, bleibt gestern, heute und morgen derselbe. Und die Kraft der Wahrheit ist, dass es einen Ursprung gibt, der immer wahr ist. Und weil er immer wahr ist, ist er immer vertrauenswürdig. Denn wenn Gott spricht, spricht er immer Wahrheit. Unser Geist und unsere Seele wissen, dass wir für die Wahrheit geschaffen wurden. Darum gehen wir als Gesellschaft der Wahrheit nach, auch wenn wir sie an den falschen Orten suchen. Wenn wir jedoch in einer Lüge leben, sind wir gefangen und unsere Seele wird krank. Wenn wir uns dagegen auf den zubewegen, der wahr ist, werden wir gesund und zu dem, wozu wir geschaffen wurden.

Jesus – die Wahrheit in Person

Jesus kam nicht auf die Welt, damit wir primär Wahrheit und Erkenntnis erlangen, sondern damit wir die personifizierte Wahrheit offenbaren. Jesus möchte uns einen neuen Fokus geben, was die Wahrheit betrifft. Er möchte, dass wir nicht nur auf die Wahrheit fokussiert sind, sondern verstehen, dass der Ursprung der Wahrheit wichtiger ist als die Wahrheit selbst. Der Teufel zitierte in der Wüste, als Jesus von ihm versuchte wurde, das Wort Gottes – er sprach also Wahrheit. Aber die Wahrheit vom falschen Ursprung oder anders gesagt, mit der falschen Absicht, ist immer noch eine Lüge. Bei der Wahrheit geht es nicht primär um die Richtigkeit, sondern um die Absicht. Wenn du alle Fakten hast, aber keine guten Absichten, wirst du die Fakten manipulieren, um die Menschen zu täuschen. Wenn du etwas Richtiges mit der falschen Absicht sagst, bewegst du dich von der Wahrheit weg, weil deine Absichten unrein sind. Wenn du jedoch etwas Falsches mit der richtigen Absicht sagst, bewegst du dich dennoch zur Wahrheit hin, weil deine Absichten rein sind.

Gott sucht Nachfolger, die wahr und echt sind, nicht solche, die immer recht haben. Denn wenn jemand wahr und echt ist, bewegt er sich immer zur Wahrheit hin. Wenn du aber denkst, dass du die Wahrheit bereits kennst, bist du wahrscheinlich nicht wahr zu dir selbst. Es geht also nicht so sehr um die Fakten – um das Richtige oder Falsche –, sondern um die verborgenen Absichten. Denn wenn du dem Ursprung vertraust, vertraust du dem Gesprochenen. Wenn du aber dem Ursprung gegenüber kritisch bist, wirst du das Gesagte hinterfragen. Vertraust du jemandem, kann das Gesagte falsch sein, aber du hinterfragst die Absichten der Person nicht. Denn wir vertrauen den Menschen, die gute Absichten haben, auch wenn sie falsche Schlüsse ziehen, weil wir wissen, dass sie sich zur Wahrheit hinbewegen.

Leider hat die Gemeinde zu oft die Wahrheit ohne die Liebe verkündet, sodass wir rüpelhaft und gesetzlich daherkamen und unsere Absichten infrage gestellt wurden. Die Welt hat darauf reagiert und die Liebe ohne die Wahrheit «gepredigt» und sich dabei in einer Illusion verloren. Ein Teil des Leibes Christi folgte diesem gesellschaftlichen Trend, die Liebe, oder in unserem Zusammenhang die Gnade Gottes, ohne die Wahrheit zu verkünden und landete in demselben Chaos wie unsere Kultur. Der andere Teil verkündete weiter die Wahrheit ohne die Liebe. In der Person Jesus Christus kommen Wahrheit und Liebe zusammen.

Geleitet vom Geist Gottes

Gott möchte, dass wir die Wahrheit in der Liebe und in seiner Gnade vermitteln. Wahrheit ist das Wort Gottes, und die Liebe ist die Natur unseres himmlischen Vaters. Wir können die Wahrheit am besten umhüllend mit der Liebe vermitteln, wenn wir uns vom Heiligen Geist leiten lassen, weil dadurch die Weisheit des Herrn über uns kommt. Das heisst jedoch nicht, dass das Evangelium für viele nicht anstössig sein wird. Die Botschaft von Jesus hat einen angreifenden Charakter, weil sie den Menschen klar aufzeigt, dass ihre Selbstgerechtigkeit ins Nichts führt. Diese Erkenntnis ist wie ein Stein, der sie straucheln lässt, und ein Fels, der sie zu Fall bringen kann. Aber die Menschen müssen sich entscheiden, ob der Stein auf sie fällt und sie zerbricht oder ob sie auf den Stein, der sie rettet, fallen möchten.

In Johannes, Kapitel 1, Vers 17 lesen wir: «Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.» Wahrheit und Liebe finden ihre Balance nicht in einer Ideologie, in einer bestimmten Weltansicht, sondern nur in der Person Jesus Christus – in demjenigen, der vertrauenswürdig ist und die Wahrheit immer in Liebe spricht. Deshalb glaube ich, dass der Herr seiner Gemeinde ein neues Mass an Weisheit gibt, welches sie bevollmächtigt, die Wahrheit in der Liebe zu verkünden, damit die Welt die guten Absichten der Kinder Gottes versteht.

Dieser Artikel erschien zuerst beim Prophetischen Bulletin 2/2022 der Stiftung Schleife.

Zum Thema:
Frieden stiften – Teil 1: Einander in Liebe die Wahrheit sagen
In einer verdrehten Welt: Alles nur aus Liebe …?
Livenet-Talk zum Valentinstag: «Wahrheit oder Wahrnehmung» und andere Herausforderungen

Datum: 30.04.2022
Autor: Andrea di Meglio
Quelle: Prophetisches Bulletin

Werbung
Livenet Service
Werbung