Eine Buchklinik für die harten Fälle
Die Buchbinderei Hollenstein AG sorgt für Recycling-Geschichten der besonderen Art.Eigentlich beginnt die Geschichte der Buchbinderei bereits 1947. Sie wurde damals von Herrn P. Jakob mit Standort in Bern und Thun gegründet. 1982 erwarb Linus Hollenstein die Buchbinderei und führte sie für 14 Jahre in Zollikofen. 1991 wurde die Einzelfirma zur Buchbinderei Hollenstein AG umgewandelt. Heute ist Jonas Hollenstein Geschäftsführer.
Auf dem gleichen Gebiet ist die «Buchklinik» tätig, die auch Bücher operiert, beziehungsweise repariert. Im Gegensatz zur Holleinstein AG ist es eine Einmann-Firma, die nebst dem Bucheinbinden und -reparieren auch noch Bilder einrahmt. Holleinsteins arbeiten zu sechst.
Livenet sprach mit Jonas Hollenstein, Buchbindermeister, Geschäftsführer und Ausbildner von zurzeit einer Lernenden.
Livenet: Wie
viele und welche Modelle bearbeiten Sie am meisten?
Jonas
Hollenstein: In unserer Buchbinderei reparieren und restaurieren
wir seit über 20 Jahren Bibeln. Wir teilen die Bibelpatienten in drei
Kategorien. Am häufigsten reparieren wir Bibeln, welche von den Besitzern oft
täglich benutzt werden. Sozusagen Alltagsbibeln in ganz verschiedenen
Übersetzungen und Grössen. Zurzeit sind es 30-40 Bibelreparaturen pro Jahr. Am zweitmeisten kommen Bibeln aus den Jahren 1850-1950 zu uns. Diese,
meist Familienbibeln, wurden zu Grosselterns Zeiten oft benutzt und möchten
von der jungen Generation als Andenken möglichst originalgetreu repariert
werden. Die dritte Kategorie sind ganz alte Bibeln aus dem 16.-18. Jahrhundert.
Die Restauration ist dank den Holzdeckeln, geprägtem Leder oder Pergament und
den Metallbeschlägen sehr interessant. Solche Aufträge kommen pro Jahr ein bis dreimal
vor.
Welche
Reparaturarbeiten kommen am meisten vor und wie kann man vorbeugen?
Bei den Alltagsbibeln reissen oft die Scharniere am Rücken. Viele Bibeln,
auch teure Ausgaben, haben nur einen Überzug auf Papierbasis. Dieser ist bei
Vielgebrauch anfällig. Dem vorzubeugen ist schwer. Nach einer Reparatur ist
dieser Schwachpunkt aber eliminiert, da ein gewebebasierter Überzug oder Leder
verwendet wird. Ein sorgfältiger Umgang mit der Bibel hilft gegen alle Defekte, dass keine
Seiten einreissen, herausfallen oder Papierecken umgelegt werden. Am besten
sollten keine Plastikklebestreifen zur Selbstreparatur verwenden werden. Dies
erschwert die spätere fachmännische Reparatur.
Welches
war die speziellste und älteste Bibel, die Sie im Betrieb hatten?
Alte Bibeln sind immer wieder etwas Spezielles. Was diese, meist sehr
grossen Bibeln «erlebt» haben, wäre sehr interessant zu wissen. Wie alt die
älteste Bibel war, weiss ich nicht mehr. Zurzeit haben wir ein Exemplar mit Jahrgang
1678 bei uns.
Gibts
einen einfachen Tipp, den Sie dem Normalleser mitgeben könnten?
Die meisten Beschädigungen geschehen beim Transport der Bibel. Als einfachen Schutz kann ein Gummiband um die Bibel gelegt werden. So
werden die Seiten in der Handtasche nicht zerknittert.
Erzählen Sie uns soch bitte ein, zwei besondere Geschichten.
Einmal traf ich einen guten Kollegen mit einer defekten Bibel. Der Rücken
war schon halb abgefallen. Ich sagte ihm: «Ich mache dir gratis einen neuen
Deckel» und riss sogleich den Rücken ganz ab. Im ersten Augenblick war er ganz
geschockt. Nach etwas Erholungszeit freute er sich sehr über das Angebot. Heute
reisse ich keine Teile des Einbandes mehr vor den Augen der Besitzer ab, auch
wenn ich es später für die Reparatur sowieso machen muss.
Ein Kunde bleibt mir besonders in Erinnerung. Fast auf jeder Seite der Bibel hatte er als Verzierung kleine Stickers mit den verschiedensten Motiven geklebt. Dies zeigte mir, wie viel Aufmerksamkeit sein wichtigstes Buch erhalten hat.
Wie dieses Beispiel zeigt, sind die Bibeln die speziellsten, welche im Inhalt Markierungen, Notizen und sogar Zeichnungen der Besitzer aufweisen. Das beeindruckt mich immer wieder, welch grosser Schatz die Bibel sein kann. Das erklärt auch, wieso man besser die Bibel reparieren lässt als eine Neue zu kaufen. Zudem eine neu Gekaufte, in der Regel, qualitativ nicht besser ist als die Vorherige.
Zur Webseite:
Buchbinderei Hollenstein AG
Zum Thema:
«Untergrund-Drucker»: Wycliffe ermöglicht Bibeldruck in verschlossenen Ländern
Liebe ganz praktisch: Kostenlose Autoreparatur in Gottes Werkstatt
Die Bibel in einem Jahr: Tipps für eine bereichernde Art der Bibellese
Datum: 03.05.2018
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet