Bauern investieren in Menschen

Manche erleben Veränderung, andere geraten ins alte Fahrwasser

Ein Ehepaar aus Wattenwil nimmt seit vielen Jahren Menschen aus schwierigen Lebenssituationen in ihrer Familie auf. Ein Engagement, das sich lohnt, selbst wenn zuweilen keine sichtbaren Erfolge vorliegen.
Susanne und Heinz

Als Susanne und Heinz heiraten, ist ihnen klar: «Wir wollen Menschen in Not ein Zuhause bieten können.» Eine notvolle Situation in ihrem Umfeld, hat sie zum Entschluss bewegt, ihr Leben zu investieren, um für andere Menschen einen Unterschied zu machen.

Erste Schritte

Susanne und Heinz beten, dass Gott ihnen offene Türen schenkt, um Menschen in schwierigen Situationen helfen zu können. Schon bald meldet sich jemand: «Könnt ihr einen Mann in Schwierigkeiten aufnehmen?» Die beiden sagen «Ja», haben aber nicht die geringste Ahnung, worauf sie sich einlassen. Der Mann kommt bei ihnen an, vollgepumpt mit Drogen. So ist er erst einmal auf Entzug. Das ist heftig, doch der Mann hält durch und bleibt anderthalb Jahre bei ihnen wohnen. Trotz fehlendem Wissen beginnen die beiden anzupacken. Von da an geht es unentwegt weiter und die beiden haben nun seit vielen Jahren immer eine Person bei sich zu Hause. Trotzdem: Heute bezeichnet Susanne das damalige Vorgehen als verantwortungslos.

Professionelle Unterstützung

Inzwischen arbeiten Susanne und Heinz mit der Organisation Terra Vecchia zusammen. Diese vermittelt die Klienten, kümmert sich um die Finanzen und ermöglicht professionelle und vor allem zweckdienliche Begleitung, Unterstützung und Weiterbildungen.

Jede Woche kommt eine Betreuungsperson vorbei, um Gespräche mit dem Klienten und der Gastfamilie zu führen. «Gerade bei Konflikten ist es hilfreich, jemanden zur Seite zu haben, der vermittelnd einstehen kann.» Eine Hotline ist rund um die Uhr bedient. So kann jederzeit Hilfe beansprucht werden – egal welcher Art.

Investieren in Menschenleben

Männer, Frauen, Jugendliche: Susanne und Heinz nehmen im Laufe der Zeit verschiedenste Leute in ihrer Familie auf. Besonders als ihre Kinder noch klein waren wurden manche Klienten fast als Familienmitglieder betrachtet. Einige blieben kurze Zeit, andere mehrere Jahre. So unterschiedlich die Klienten und die Aufenthaltsdauer sind, so verschieden fallen auch die sichtbaren Veränderungen aus. «Es ist unabsehbar, was unser Engagement bewirkt», erzählt Heinz. «Für ein paar Personen hatten wir, ehrlich gesagt, nicht allzu viel Hoffnung, staunten dann aber über ihre Veränderung.»

Leider ist es nicht immer so. Es kann auch sehr schmerzhaft sein, wenn Menschen nach einem Aufenthalt wieder ins alte Fahrwasser geraten. «Wir dürfen nicht den Anspruch haben, dass Menschen krank zu uns kommen und dann gesund wieder gehen. Diese Leute durchlaufen lange Prozesse, bei denen wir sie einfach eine Zeitlang begleiten – soweit der Wunsch und der Wille zu Veränderung vorhanden ist.» Gerade dort, wo Susanne und Heinz am Ende ihres Lateins sind, wissen sie noch immer etwas zu tun: Sie legen ihre Klienten in Gottes Hände. Und sie wissen: Ein Investieren in Menschen ist niemals verschwendete Zeit. Es ist einfach ein Mosaikstein auf dem Weg in ein freieres Leben.

Die Chance eines Bauernbetriebes

Eine Familie auf einem Bauernbetrieb eignet sich gut, um Menschen ein Zuhause zu bieten. Wann immer ein Klient ein Problem hat, sie sind rund um die Uhr da. Gemeinschaft ist für Menschen in schwierigen Lebenssituationen sehr wichtig.

Auch an Arbeit mangelt es nie. Eine Tagesstruktur und eine sinnvolle Beschäftigung zu haben, ist für jeden Menschen wichtig. «Wir dürfen aber auch hier keine Erwartungen haben. Ein zusätzlicher Bewohner im Haus bedeutet noch lange nicht, dass diese Person auch praktisch arbeiten kann.» Wie schlecht Erwartungen sind, haben Susanne und Heinz schon früh gelernt. Diese führen zu Frust und einem ungesunden Leistungsdruck des Klienten.

Der Wert von Familie

Bei all den Klienten, die Susanne und Heinz bereits aufgenommen haben, ist ein Muster erkennbar. «Fast alle Klienten, die mit Lebensproblemen bei uns Zuflucht suchten, haben wir einen Mangel an Nestwärme in deren ersten Lebensjahren festgestellt.» Selbst wenn sie jetzt, in ihrem Erwachsenenalter, bei Susanne und Heinz ein Stück Familie erfahren, können diese Defizite nie vollständig ausgefüllt werden.

Gerade deshalb lohnt es sich, in Familien zu investieren. «Anstatt nur Kindertagesstätten zu subventionieren wäre es gut, auch Familien zu unterstützen, zum Beispiel mit einer Steuergutschrift, wenn die Eltern ihre Kinder selber betreuen. Bei Fremdbetreuung kann ja auch ein Abzug gemacht werden. Die Arbeit zu Hause bekäme dadurch wieder mehr Anerkennung und einen Anreiz, damit immer ein Elternteil für die Kinder da sein kann. Letztlich würde damit auch das Sozialwesen entlastet.»

Den eigenen Glauben leben

Susanne und Heinz sind überzeugte Christen und leben ihren Glauben auf persönliche, bodenständige Art. Anderen ihre Überzeugungen überzustülpen liegt ihnen nicht. Sie sind nicht gekränkt, wenn sich ein Klient von ihrem Glauben distanziert. «Es kommt kaum vor, dass sich jemand durch unseren Glauben eingeengt fühlt. Im Gegenteil: Es entstehen interessante Gespräche.» Der Respekt, den sie ihren Mitmenschen entgegenbringen, kommt offensichtlich auch wieder zurück.

Trotzdem glauben die beiden, dass ihr gelebter Glaube eine positive Wirkung auf ihre Klienten hat. Immer wieder erhielten sie entsprechend positive Rückmeldungen. «Vor allem ist uns wichtig, dass unsere Klienten ein Zuhause erfahren und sich angenommen fühlen.» Viele Menschen hatten keinen guten und behüteten Start ins Leben. Sie brauchen jemanden, der sie aufnimmt, wie sie sind und ihnen beisteht. «Wir wollen ganz einfach das Gute teilen, das Gott uns geschenkt hat.»

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Datum: 27.08.2019
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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