Die Macht der Symbole

Der Finger macht den Unterschied

Gabriel Medina gibt Gott die Ehre
Das Bild geht um die Welt: der brasilianische Surfer Gabriel Medina scheint in der Luft zu schweben, sein Board hinter ihm und die rechte Hand mit dem Zeigefinger hoch erhoben. Zufall?

Klar, er liebt die Show – er kann aber auch was. Am 29. Juli trat der Brasilianer Gabriel Medina in der dritten Runde des Shortboard-Surfing-Wettbewerbs gegen den Japaner Kanoa Igarashi an, der Medina bei den letzten Olympischen Spielen ausgeschaltet hatte. Bei seiner zweiten Welle schoss Medina übermütig aus der Röhre, wobei er beide Handflächen öffnete und damit andeutete, dass die Juroren ihm eine 10 für seine Leistung geben sollten. (Zwei der fünf Juroren stimmten zu; seine Endnote war 9,9).

Dann drehte sich Medina nach links, in Richtung Brandung, und sprang von seinem Brett, wobei er die rechte Hand hob und den Zeigefinger nach oben richtete. Dies war das ikonische Bild, das der Fotograf Jérôme Brouillet festhielt.

Klare Botschaft

Brasilianische Evangelikale erkannten das Zeichen sofort. «Es ist, als würde er sagen: 'Ihr solltet nicht auf mich schauen, sondern auf Gott. Dieser Moment der Herrlichkeit gehört nicht mir, sondern ihm», sagte João Guilherme Züge, Religionshistoriker am Museu Paranaense in Curitiba.

Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, wo Baseballspieler nach einem Homerun oft aus verschiedenen Gründen in den Himmel zeigen - manche, um Gott zu danken, andere, um verstorbene Angehörige zu ehren -, ist die Geste unter brasilianischen Sportlern eng mit dem Bekenntnis zum christlichen Glauben verbunden. Der erhobene Finger, der zum Himmel zeigt, ist seit mehr als 40 Jahren das Markenzeichen brasilianischer evangelikaler Athleten. Man weiss nicht, wer die Geste ursprünglich erfunden hat, aber sie gewann in den 1990er Jahren an Popularität, vor allem durch Fussballspieler wie Kaka, die nach Heldentaten auf dem Spielfeld den Zeigefinger hoben, wohl wissend, dass die Kamera auf sie gerichtet sein würde, wenn sie ein Tor erzielten.

Ältere werden sich übrigens erinnern: Bereits in den 70er und 80er Jahren galt der erhobene Zeigefinger als Symbol für «One Way» - und damit war keine Einbahnstrasse gemeint, sondern die Aussage «Jesus ist der einzige Weg».

In Brasilien ist der Glaube an Jesus Christus übrigens auf einem beispiellosen Siegeszug: Von 2000 bis 2020 ist die Zahl der Evangelikalen um 543 Prozent gewachsen; heute bekennen sich über 30 Prozent der Bevölkerung zu einem persönlichen Glauben an Jesus, und jeden Tag werden 17 neue christliche Kirchen und Gemeinden eröffnet.  

Wer ist Nummer eins?

Natürlich kann man den erhobenen Zeigefinger von Medina auch anders deuten wollen. «[Medina] hat wirklich das Recht und die Autorität, sich selbst als die Nummer eins zu betrachten», kommentierte Moderatorin Renata Vasconcellos auf TV Globo, Brasiliens meistgesehener Nachrichtensendung und gab dem erhobenen Finger damit eine ganz andere Interpretation.

Aber nur Gabriel Medina selbst kann definieren, was er mit seiner Geste meinte, die um die Welt ging. Der Surfer durchlebte nach Tokio 2020 eine Scheidung, eine persönliche Krise und gab zwei Jahre alle Wettkämpfe auf. Er erklärte: «Es ist kein Geheimnis, dass ich unter Depressionen litt und professionelle Hilfe suchte. Ich hatte Angst, weil alles für mich an Bedeutung verlor». Sein Glaube wurde durch die Krise offenbar gestärkt: auf seiner Instagram-Seite kommentierte er das Foto mit dem Zitat aus Philipper 4:13 «Tudo posso naquele que me fortalece.» - «Ich kann alles durch den, der mir die Kraft gibt.» Ein kleiner Unterschied, der eine Welt ausmacht.

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Datum: 14.08.2024
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Christianity Today/ Livenet

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