Gemeindeleiter aus dem Sudan

«Wir fühlen uns vergessen»

Die Christen im Sudan fühlen sich vergessen
Über 14 Monate nach dem Beginn eines brutalen Bürgerkriegs im Sudan fühlen sich die Christen verlassen und vergessen. Dies berichtet ein Sprecher von Open Doors.

Im April 2023 brach im Sudan ein Bürgerkrieg zwischen der nationalen Armee und den Rapid Support Forces (RSF) aus. Illia Djadi, Analyst von Open Doors für Religions- und Glaubensfreiheit in Subsahara-Afrika, reiste Anfang Mai in die Region und sprach mit Gemeindeleitern, die sich vom Rest der Welt vergessen fühlten. «Die Situation verschlechtert sich jeden Tag und die Welt reagiert nicht. Es herrscht ein starkes Gefühl, im Stich gelassen zu werden», fasste er zusammen.

«Der Sudan ist Schauplatz der weltweit grössten Massenvertreibung, fast neun Millionen Menschen sind auf der Flucht. Und er ist mit der grössten Hungerkrise der Welt konfrontiert, aber er erhält nicht die Aufmerksamkeit und die Reaktion, die er im Vergleich zu anderen Krisen erhalten sollte», erklärt Illia Djadi weiter.

Erhöhter Druck für Christen

Für die zwei Millionen Christen im Sudan ist die Situation besonders schwierig. Das mehrheitlich muslimische Land steht auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors an achter Stelle. Das Leben vieler Christen war bereits schwierig, doch die Gewalt setzte sie zusätzlich unter Druck. «Es gibt keine Sicherheit, keinen Schutz», stellt Illia Djadi fest. «Weder von Seiten der Kriegsparteien noch von Opportunisten, die die Situation ausnutzen, um ihre eigenen Pläne voranzutreiben. Die Christen und ihre Kirchen wurden ungestraft angegriffen.» 

Bisher wurden mehr als 150 Kirchen beschädigt oder zerstört, entweder mutwillig oder aufgrund der aktuellen Gewalt. 

Wiederholte Vertreibung

Die Christen, die gezwungen sind, ihre Häuser zu verlassen, fliehen oft mehrmals und verlieren so den Kontakt zu den anderen Mitgliedern der kleinen christlichen Gemeinschaft.

Für Christen bedeutet ihr Glaube, dass sie besonders verletzlich sind. Dort, wo sie Zuflucht finden, können sie von ihren Mitmenschen und bei der Verteilung von Hilfsgütern diskriminiert werden. Infolgedessen ist ein grosser Teil der Kirche auf der Flucht und nicht in der Lage, ihre Mitglieder zu versorgen.

Christliche Leiter befürchten insbesondere, dass die ehemals regierenden Islamisten die derzeitige Unsicherheit ausnutzen könnten, um wieder an die Macht zu kommen und strenge islamische Gesetze aus der «Scharia», wie das Blasphemiegesetz, wieder einzuführen. Unter der zivil-militärischen Regierung, die nach der Vertreibung des Diktators Omar al-Bashir im Jahr 2019 eingesetzt wurde, waren einige dieser Gesetze abgeschafft worden.

Die Gefahr eines neuen Libyens

Die humanitäre Krise im Sudan erfordert besondere Aufmerksamkeit, betont Illia Djadi. «Es besteht die reale Gefahr, dass der Sudan zu einem zweiten Libyen wird, wo der Sturz von Oberst Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Machtvakuum hinterlassen hat. Diese Situation hatte schwerwiegende Folgen für die Region, insbesondere durch Waffen- und Drogenhandel, und hat Konflikte in anderen Teilen des Kontinents geschürt.»

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Datum: 04.07.2024
Quelle: Open Doors CH

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