Auch in KI-Zeiten unverzichtbar: Geschichten erzählen
«Storytelling bedeutet Geschichten erzählen», sagt Jyoti Guptara. «Und ‘Storytelling Schweiz’ ist ein nationaler Erzählwettbewerb für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Es geht darum, dass sie eine Geschichte erzählen, die etwa drei Minuten dauert.» In drei Alterskategorien gibt es tolle Preise zu gewinnen (im Gesamtwert von über 10'000 Franken) und die Gewinner dürfen an «Zürich liest» auftreten.
In drei Minuten eine Geschichte zu erzählen, sei gar nicht so einfach. «Darum haben wir auf bekannte Kinderbuchschaffende zurückgegriffen, unsere Mitglieder wie Franz Hohler oder die ‘Globi’-Buchautoren und Illustratoren haben Tipps aufgenommen, die auf unserer Website www.storytelling-schweiz.ch zu hören sind.»
Die Jugendlichen sollen für die Welt von morgen gewappnet sein. «Welche Fähigkeiten werden in einer KI-Welt überhaupt noch gefragt sein?», blickt Jyoti Guptara, der kürzlich ein Buch über Claudio Minder verfasste, in die Zukunft. «Künstliche Intelligenz kann immer mehr schaffen. Der Mensch hinter dem Bildschirm kann immer mehr fälschen. Für uns als Kinder- und Jugendbuchmacher ist die Antwort klar: Zukunftsfähigkeit Nummer 1 heisst Geschichten erzählen.»
Brücke vom gesprochenen zum geschriebenen Wort
Schreibwettbewerbe seien auch gut, aber davon gebe es schon viele. «Mit dem ersten Storytelling-Wettbewerb hoffen wir, auch Jugendliche zu motivieren, die nicht gerne lesen und schreiben.»
Es gehe auch um Leseförderung, schliesslich seien die Jugendlichen das Zielpublikum. «Erzählen ist die Brücke zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort. Wenn sie das Erzählen entdecken, werden sie hoffentlich auch gerne lesen und schreiben. Aber auch wenn nicht: Kommunikation zu fördern, ist ein Gewinn für alle: Für die Arbeitgeber, aber auch für sie selbst.»
Wir haben das Geschichtenerzählen verlernt
Als Unternehmensberater für Storytelling berät Jyoti Guptara Führungskräfte, wie sie eine Vision weitergeben können oder zum Beispiel eine Fusion oder eine Strategie kommunizieren. «Ich stelle fest, dass wir das Geschichtenerzählen ein wenig verlernt haben. Während Storytelling in Managementkreisen als eine der wichtigsten Fähigkeiten gepriesen wird, gehen in den Klassenzimmern immer weniger Hände hoch, wenn man fragt, wer gerne liest.»
Für Jyoti Guptara ist klar: «Als Co-Präsident von ‘Autillus’ ist es mir ein ist es mir ein Anliegen, die Schweizer Kinder- und Jugendbuchszene zu stärken.»
Durch Geschichte Umgang mit Mobbing gelernt
Erst kürzlich habe ihm die Mutter einer 13-jährigen Schülerin erzählt, dass ihre Tochter auch am Storytelling-Wettbewerb teilnehmen wolle. «Sie hatte eine Geschichte darüber geschrieben, wie sie in der sechsten Klasse gemobbt wurde. Sie wollte ihren Beitrag dann aber doch nicht einreichen, weil er ihr zu persönlich war.»
Einige Wochen später ereignete sich eine ähnliche Situation an ihrer Schule und sie konnte ganz anders darauf reagieren. «Es ist sehr schön zu hören, wenn Jugendliche ein Thema durch eine Geschichte verarbeiten. Das hilft bei der Bewältigung von schwierigen Situationen und bereitet auf andere Situationen vor.»
Jesus, der Meister des Storytellings
«Historiker sind sich einig, dass niemand so einflussreich war wie Jesus von Nazareth», sagt Jyoti Guptara. «Er erzählte Geschichten und Gleichnisse. 'Autillus' ist zwar nicht explizit christlich, aber das Thema des Geschichtenerzählens hat durchaus einen Bezug zum Glauben. Schliesslich gäbe es heute keine Christen, wenn die ersten Jünger Jesu nicht von ihren Erfahrungen mit Jesus erzählt hätten.»
So sei es auch in seiner Familie. «Meine indischen Vorfahren sind vor 2000 Jahren in Indien zum christlichen Glauben gekommen, weil ein Augenzeuge, St. Thomas, einer der zwölf Jünger Jesu, sich auf den Weg nach Indien gemacht hat, um ihnen die Frohe Botschaft zu bringen – also die Geschichten zu erzählen, die er erlebt hat. Deshalb freuen wir uns sehr, wenn sich Cevi oder Jugendgruppen mit Storytelling Schweiz auseinandersetzen und mitmachen.»
«Schwierige Zeiten geben gute Geschichten»
Jyoti Guptara blickt auf reichlich Erfahrung in der Welt des Storytelling und des Schreibens: «Mit 21 Jahren konnte ich bereits auf drei veröffentlichte Bücher und einen Bestseller zurückschauen. Da half mir der Glaube, mich nicht zu wichtig zu nehmen. Mit 26 wiederum kämpfte ich mit dem umgekehrten Problem. Nun stand ich einem sich leerenden Bankkonto und schlechten Aussichten gegenüber – ohne Abschluss oder Arbeitserfahrung. In dieser Zeit war der Glaube massgebend, mich nicht durch meine Leistung zu definieren. Mit Ablehnung und Enttäuschung umzugehen ist trotzdem nicht einfach. Aber schwierige Zeiten ergeben gute Geschichten!»
Der Glaube an Jesus macht einen grossen Unterschied in seinem Leben: «Sinn, Hoffnung, Dankbarkeit, Motivation und vieles mehr. Mein Gebetsleben ist oft richtungsweisend. Ganz konkret. Als ich mit der Erfolgslosigkeit kämpfte, zum Beispiel. Damals nahm ich widerwillig einen Job an, der meinen Stärken und Interessen gar nicht entsprach. Das war, um meine frischgebackene Ehefrau zu beruhigen. Es war eine gute Charakterschule.»
In dieser Zeit baute er sich gleichzeitig ein zweites Standbein auf im «Business Storytelling», also Geschichtenerzählen für die Wirtschaft. «Obwohl dieses zweite Standbein anfangs nicht gut lief, hatten anderthalb Jahren später meine Frau und ich beide den Eindruck, dass ich meine Anstellung kündigen soll. Ich reichte also die Kündigung ein. Am nächsten Tag bekam ich einen Riesenauftrag. Das war die Bestätigung, dass wir von Gott gehört hatten. Ich habe hunderte solcher Stories und kann darüber nur staunen. Leben mit Gott ist ein Abenteuer.»
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Datum: 15.07.2024
Autor:
Daniel Gerber
Quelle:
Livenet