Bergpredigt für heute

Sebastian Rinks Buch: «Heiliges Leben»

«Ich lese die Bergpredigt als Suche nach dem Unendlichen in einem Leben, das sich nicht in Gedanken und Handlungen erschöpft… Ich suche Heiliges, ich suche nach Gott.» In seinem Buch «Heiliges Leben» macht sich Sebastian Rink auf diese Suche nach dem Unendlichen im alltäglichen Leben. Und er findet gute Gedanken und herausfordernde Anregungen in einem der bekanntesten Bibeltexte, der Bergpredigt.
Sebastian Rink
Cover «Heiliges Leben»

Wo ist Gott eigentlich? Müsste seine Heiligkeit nicht wesentlich öfter in unsere Wirklichkeit einbrechen? Spektakulär? Deutlich? Bereits ein kurzer Blick ins eigene Leben oder auf die aktuellen Schlagzeilen macht deutlich, dass für Heiligkeit in der Welt noch viel Luft nach oben ist. Sebastian Rinks Buch ist der konsequente Versuch, Gott im Gewöhnlichen zu finden und das normale Leben als ein heiliges zu leben. So zitiert er zu Beginn den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber mit einer schönen Zusage: «[…] wenn du das Leben heiligst, begegnest du dem lebendigen Gott». Ich denke, er löst dieses Versprechen ein.

Die Bergpredigt neu lesen

Die Bergpredigt steht im Matthäusevangelium, Kapitel 5 bis 7. Eine grundlegende Ausgangsfrage dafür ist: Für wen sind ihre Aussagen gedacht? Für die Jünger? Für einen grösseren Kreis an Interessenten, also praktisch alle Menschen? Der Text selbst lässt laut Rink beide Deutungen zu – und er adoptiert diese Einstellung gleich für sein Buch: Mit einer frischen, unfrommen Sprache ist das Buch für jedermann lesbar. Gleichzeitig sorgt der Autor dafür, dass auch christliche Insider Neues entdecken. Das beginnt bereits mit der eigenen Übersetzung des Bibeltextes, damit Leserinnen und Leser sich nicht zu schnell zwischen altbekannten Formulierungen «häuslich einrichten».

Rink geht die Bergpredigt absatzweise in kurzen Kapiteln durch (jeweils ca. zehn Seiten). Eine Neubegegnung ermöglicht er auch damit, dass er einzelne Texte im Licht ihrer Zeitgenossen betrachtet und andere aus heutiger Perspektive sieht. Das geschieht nicht willkürlich, sondern ordnet sich folgerichtig dem Anliegen von Jesus bei seiner längsten überlieferten Predigt unter. Auch bei Rink wird deutlich, dass er als Pastor und Prediger gern einen «Griff» an die Texte machen möchte. Er wird nicht platt in seinen Anwendungen, aber sein Ziel ist weniger Kontemplation als Aktion: «Die Bergpredigt ist kein Text stiller Andacht, das wird schnell klar. Es gibt immer etwas zu tun und die Einladung zum Handeln wird uns immer wieder begegnen» (S. 25).

Zwischen Provokation und Praxis

Was haben Jesus und Donald Trump gemeinsam? Sie sind beide «keine wirklich begnadeten Diplomaten» (S. 85). Stimmt. Sebastian Rink passt auch gut in diese Reihe. Denn immer wieder nimmt er Aussagen der Bergpredigt, mit denen Jesus seine Zuhörer herausgefordert hat, und provoziert seine Leser damit. Zum Beispiel, als er die bekanntesten Verse der Bergpredigt bespricht: das Vaterunser. Zunächst lässt er die neuere Forschung zu Wort kommen, die unterstreicht, dass Abba, also Vater, gar nicht unbedingt eine besonders vertrauliche Ansprache war («Papa»). Hier, wie an anderen Stellen, arbeitet er mit nachvollziehbaren Quellen und immer wieder auch mit Onlinetexten zum Vertiefen. Dann geht er noch einen Schritt weiter und stellt klar, dass es bei dieser Gebetsansprache nicht um die Männlichkeit Gottes geht, sondern um das Vertrauensverhältnis zu ihm: «Daher muss das Unser-Vater-Gebet nicht zwingend männlich bleiben. Am Bibeltext ändert sich natürlich nichts mehr. Aber warum nicht einmal ein 'Unsere-Mutter' daraus machen und beobachten, was passiert?» (S. 140).

Rink provoziert nicht um des Provozierens willen. Immer wieder stösst er Türen auf für ein weites Denken und lädt ein, neue Perspektiven einzunehmen, zum Beispiel bei «Dein Name soll als heilig gelten»: Wie sähe eine Welt aus, die sich von den Bergworten inspirieren liesse? Wenn wir mit 'G-O-T-T' (wie auch immer man das buchstabiert) nicht mehr Kreuzzüge, Terrorismus, Missbrauch, Arroganz verbinden müssten, sondern eine attraktive Einladung, miteinander zu leben […]. Ich sehne mich danach, dass wir G-O-T-T auf diese Weise buchstabieren, dass dieser Name mir heilig wird und alles, wofür er steht» (S.142).

Ein Werbetext…

Der Theologe Ulrich Luz nannte die Bergpredigt eine «Werberede» (S. 19). Genau so sieht sie auch Sebastian Rink. Als ein Stück «Himmel auf Erden», als ein Plädoyer für heiliges Leben. Sie ist an manchen Stellen für uns heute etwas abstrakt, an anderen wird sie dagegen so konkret, dass es wehtut, weil sie tief ins Zwischenmenschliche hineinspricht wie im Kapitel «Die Ehe beenden» (S.75ff).

Rink widersteht der Versuchung, vieles absolut darzustellen. Es geht ihm nicht darum, dass etwas «offenkundig» ist oder «unzweifelhaft richtig» (S. 89). Stattdessen fordert er auf, selbst nachzudenken über den Bibeltext und seine Gedanken dazu. Und zwar im Sinne von Jesus, der immer wieder sagte: «Amen, ich sage euch…», denn das bedeutet für ihn: «Prüft es genau! Ich blende euch nicht, sondern stehe dafür mit meinem Leben ein. Für diese Worte lege ich meine Hand ins Feuer» (S. 89).

Wer sich von der altbekannten Bergpredigt neu inspirieren und herausfordern lassen möchte, der findet in «Heiliges Leben» ein locker formuliertes, gut durchdachtes und erfrischend diesseitiges Buch.

Sebastian Rink ist Jahrgang 1985. Er beschreibt sich selbst als verheiratetes Dorfkind und Dreifachpapa. Der Theologe ist Pastor einer Freien evangelischen Gemeinde und hat früher als Mediengestalter gearbeitet.

Hier kommen Sie zur Webseite des Buches von Sebastian Rink:
«Heiliges Leben»

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Datum: 18.08.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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