Kostbarkeit Wasser

Carlos Martínez geht in die Wüste

Alles dreht sich ums Wasser im neuen Programm des Pantomimen Carlos Martínez, das am 14. Januar 2012 in Wädenswil bei Zürich Première hatte. So fein die Kunst, so fabelhaft präsent ist der spanische Künstler, der seit 30 Jahren auf der Bühne steht.
Carlos Martínez, wie man ihn liebt, bei der Première seines neuen Programms in Wädenswil.

Im neuen Programm «Mirage/Fata Morgana» mimt Carlos Martínez den Reisenden, der unversehens in die Wüste gerät. Dabei geht es durchwegs um Wasser. Aus Alltäglichem fügt sich ein Sinnbild für die Lebensreise: vom letzten Giessen der Pflanzen in der Wohnung über die Kontrolle im Flughafen, wo der Tourist die Flasche austrinken muss, zum Schock, wenn in der heissen Einöde beim Gang zum Brunnen der Bus wegfährt.

Blaue Illusionen

Der Durst schwächt den Reisenden und beginnt ihm Bilder vorzugaukeln – Szenen des unbekümmerten, verschwenderischen Umgangs mit dem kostbaren Nass. Im unbarmherzigen Gelb der Wüste steigert er sich in blaue Illusionen sprudelnden Wassers hinein. Könnte er doch seine brennenden Füsse kühlen! Endlich schliesst er einen Tresor auf, um ihm eine Wasserflasche zu entnehmen…

Innere Reise

Ohne Requisiten und Kostümwechsel, allein mit den ureigenen Mitteln seiner Kunst, führt der Pantomime vom behaglichen Alltag in die Wüste. Den Spanier beschäftigt (wie er im Interview äussert) der Wassermangel in heissen Ländern, doch «Mirage/Fata Morgana» geht weit über eine Kritik an der Ressourcenverschwendung in Wohlstandsgesellschaften hinaus. Denn mit dem Durst auch der Angst ausgesetzt, muss sich der Reisende seiner inneren Wüste stellen – bis er gerettet wird.

Zauberhaft leicht

Die Präzision, mit der Carlos Martínez über 45 Minuten ganz unterschiedliche Szenen in der Vorstellung seiner Zuschauer entstehen lässt, ist zum Staunen; die Leichtigkeit seiner Kunst verzaubert. Überdies fügen sich die Szenen, in denen vieles zum Lachen, manches zum Weinen ist, zu einer existentiellen Geschichte – womit der stille Star einen neuen Gipfel erklimmt. Das Premièrenpublikum, in Scharen nach Wädenswil gekommen, dankt mit langem, rauschendem Applaus.

Olympische Spiele

Nach der Pause bringt der Künstler Glanzlichter aus seinen 30 Bühnenjahren zum Leuchten. Die Ängste des Menschen, der zum ersten Mal in die Luft fliegt und neben einen Fettwanst zu sitzen kommt, legt er in ein witziges Stück um. Die Olympischen Spiele in seiner Stadt Barcelona 1992 verpasste Martínez wegen einer Tournee; er vergilt es dem Spitzensport mit einem Mix köstlicher Sportler-Patzer.

Vor dem Spiegel

Vor dem Spiegel verzieht sich ein Gesicht zu vier Grimassen – was geschieht dem Menschen, der sich ihrer bedient, sie huschhusch wechselt? Die Schadenfreude über jene, die unachtsam über den Stein auf dem Weg stolpern, wird auf die Spitze getrieben und bleibt uns schliesslich im Hals stecken, obwohl uns Carlos den Beinbruch erspart. Süchtig nach Pralinen, spielt der Mime mit den Gelüsten seiner Zuschauer. Und Noah tritt auf, zwei Minuten die Arche baut und darauf das Heer der Tiere einlässt – schlicht grandios.

Unterwegs zur Perfektion

Zu Beginn des Abends hat Jean-Daniel von Lerber, Martínez’ langjähriger Agent, die Laufbahn des Künstlers nachgezeichnet. Er hebt hervor, dass der Mime, inzwischen 56, nicht müde wird, «das Leben zu beobachten und von ihm zu lernen».

Von Lerber bittet den aus Barcelona angereisten  Robert Long ans Mikrofon, der seit sieben Jahren mit Martínez arbeitet und im neuen Programm Regie führt. Long würdigt das Ringen um Perfektion. So weite Martínez die Grenzen seiner Kunst fortwährend. Der Schminke ledig, schenkt der Pantomime dem Publikum noch seine Version des Rotkäppchens. Den Wolf – und den ganzen Abend – werden wir nicht vergessen.

Allein in der Schweiz und in Deutschland kann Carlos Martínez 2012 an über 40 Auftritten bewundert werden.

Datum: 17.01.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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