In Südamerika oder der Schweiz: Es geht um Menschen
Res Flückiger war 23 Jahre alt, hatte Rekruten- und Unteroffizierschule hinter sich und brauchte eine Übergangslösung, bevor er den väterlichen Bauernbetrieb übernehmen sollte – so war jedenfalls der Plan.
Vielleicht als Landwirt nach Argentinien
Seit dem Konflager lebte Res entschieden mit Jesus und nach einem Welschland-Aufenthalt half er beim Aufbau einer Jugendarbeit. Dort kam er in Kontakt mit Mitgliedern der Christusträger-Bruderschaft, welche davon sprachen, eine landwirtschaftliche Maschine nach Argentinien zu schicken. «Habt ihr schon einen Landwirt?», fragte Res.
Nein, einen Landwirt gab es in Argentinien noch nicht und Res wurde dafür angefragt. «Ich musste aber versprechen, keine der Schwestern weg zu heiraten.» Als ein erfahrener Mann Res riet, eine mögliche Heirat bereits vorgängig zu klären, nahm er dies ernst. Er hatte zwar keine Frau in Aussicht, doch dies konnte sich ja ändern.
Die ideale Frau
Eine Krankenschwester kam Res beim Gedanken an eine mögliche Heirat als erstes in den Sinn. Während seiner Militärzeit hatte sich ein intensiver Briefwechsel mit der jungen Frau aus Winterthur entwickelt. So besuchte Res Elisabeth, um ihr von seinen Plänen zu erzählen. Am Ende des Treffens fragte er: «Soll ich Unterlagen für zwei Reisepässe beantragen oder nur für einen?» Mit diesen Worten war gerade der Hochzeitsantrag gestellt und Elisabeth erwiderte: «Du kannst zwei beantragen.» «Verliebt waren wir bis dahin nicht», blickt Res leicht humorvoll zurück. «Das haben wir einfach übersprungen.»
Schlag auf Schlag
Ende Januar 1971 war die Verlobung, am 4. April die zivile und am 15. Mai die kirchliche Trauung. Das war gleichzeitig die Abschiedsfeier von Familie und Freunden. Einen Monat später reiste das frischvermählte Paar mit Einwegtickets nach Argentinien.
«Wir hatten keine umfassende Vorbereitung, reisten einfach aus.» Res spricht von einer Mischung aus Gottvertrauen, Naivität und Abenteuerlust. Immerhin hatten 30 Freunde zugesagt, Ehepaar Flückiger mit Gebet und Finanzen zu unterstützen. Das Abenteuer in Argentinien begann dann mit vielen Herausforderungen. Res bereut den Schritt aber in keiner Weise. «Nur eine Sache würde ich heute anders machen: vorgängig Sprache und Grundlagen der Kultur erlernen.»
Geistliche Aufbrüche in Argentinien
Wenige Jahre zuvor war ein Schmuggler von Cocablättern in den Besitz einer Bibel gekommen. In der Folge bekehrten sich viele Bewohner in der Gegend des Chaco. Das Feuer für Jesus breitete sich aus und der Ruf nach Missionaren wurde laut. Zwei Schwestern der Christusträger besuchten dann die Siedlungen auf Pferden, stellten aber bald fest, dass diese Arbeit ihre Kräfte überstieg. Mit dem Kauf eines Grundstückes entstand eine Missionsstation, wo der Wunsch nach einem Landwirtschaftsbetrieb wuchs. Das hierzu in Deutschland bereitgestellte Fahrzeug kam zwar nie in Argentinien an, dafür aber das junge Ehepaar, das erst noch dabei war, ihre Liebe füreinander zu entdecken.
Herausforderungen und ein harter Schlag
Manchmal setzten die Temperaturen zu. «Im Dezember und Januar hatten wir 40 Grad im Schatten, im Juli dann Frostnächte.» Auf der Missionsstation gab es weder Telefon, noch Funkanlage, um Hilfe für schwer verletzte Patienten zu rufen. «Wenn wir keine Möglichkeit mehr sahen, haben wir einfach gebetet und dann viele Erhörungen erlebt.»
Im März 1975 kam die erste Tochter zur Welt, zwei Jahre später die zweite. Kurz nach der Geburt verschlechterte sich ihr gesundheitlicher Zustand. Nach einem Arztbesuch wurden unverzüglich Massnahmen eingeleitet, doch es war zu spät, das Kind überlebte die Nacht nicht. Ein harter Schlag, den Res aber schon bald verarbeitet zu haben glaubte. Doch Jahrzehnte später kam die Trauer mit voller Wucht zurück.
Berufliche Wege
Schon vor der Rückkehr in die Schweiz wurde Res die Stelle des Sekretärs vom CEVI Region Bern angeboten. Da sich die Übernahme des elterlichen Bauernbetriebs erübrigt hatte, sagte er zu. Zehn Jahre kam Res dieser Aufgabe nach und erlebte eine gute und vielfältige Entwicklung. Da ihn das regionale Arbeiten aber zunehmend ermüdete, absolvierte er die Ausbildung zum Katecheten. Ab 1990 war er als Gemeindehelfer und Katechet in der Reformierten Kirchgemeinde Konolfingen tätig. Die breite Palette von Unterricht, Sekretariat und Seniorenarbeit war eine bereichernde Herausforderung.
2002 stand die Frage nach einem erneuten Missionseinsatz im Raum. Diesmal prüften Flückigers sorgfältiger als beim ersten Mal. Nach einem Praktikum in Kolumbien zerschlugen sich die Pläne, obwohl sie sich bereits zum Verkauf ihres Hauses durchgerungen hatten.
Ein reiches Leben
2012 liess Res sich frühzeitig pensionieren. «Ich begann mit Imkern. Zum ersten Mal habe ich ein richtiges Hobby.» Daneben engagierte er sich weiterhin in politischen Ämtern und kirchlichen Aufgaben. Rückblickend freut er sich, wenn er im Leben von Menschen etwas bewirken konnte. «Ich bin kein Seelsorger oder jemand, der Menschen über längere Zeit hinweg begleitet», beschreibt er sich selbst. Oft habe er selbst nicht realisiert, was er bei anderen bewirkte und staunte dann, wenn irgendwelche Personen Jahre später ihre Dankbarkeit ausdrückten. Solche Erfahrungen machen das Leben reich.
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