Christian Derflinger

Ein Fussballer mit Vision

Fussballer Christian Derflinger
Er durfte unter Trainer-Legende Pep Guardiola trainieren. Den grossen Durchbruch hat Christian Derflinger nicht geschafft. Der Profi bei Kickers Offenbach weiss aber, dass sein Wert nicht von sportlicher Leistung abhängt.

Was begeistert Sie mehr: der Fussball oder der christliche Glaube?
Christian Derflinger: Der christliche Glaube. Er ist das Fundament meines Lebens. Natürlich ist der Fussball auch wichtig. Aber ich weiss, dass meine Profi-Karriere irgendwann vorbei sein wird.

Seit wann spielt der Glaube in ihrem Leben eine Rolle?
In meinem Elternhaus in Österreich hat er nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ich war prinzipiell an Glaubensfragen interessiert, aber ich habe mich nie intensiver damit beschäftigt. Ich hatte eher einen oberflächlichen Kinderglauben.

Wann hat sich das verändert?
Ich bin mit 14 Jahren ins Fussballinternat des FC Bayern gewechselt. Dort habe ich Lucas Genkinger kennengelernt, der schon Christ war. Wir haben über den christlichen Glauben gesprochen und gemeinsam die Bibel gelesen. Zusammen sind wir auch in den Gottesdienst und in den Sportler-Bibelkreis gegangen. Da habe ich das erste Mal das Evangelium verstanden. Er ist bis heute einer meiner besten Freunde.

Wie haben Ihre Eltern auf diese wichtige Veränderung reagiert?
Anfangs waren sie ein bisschen zurückhaltend. Freie evangelische Gemeinden kannten sie aus Österreich nicht. Meine Mutter hat mitbekommen, wie mich mein Schritt charakterlich verändert hat. Vor fünf Jahren ist sie dann selbst zum Glauben gekommen. Mein Vater, der mittlerweile verstorben ist, hat für sich entschieden, dass dies für ihn persönlich nichts ist.

Gab es auch Phasen, in denen Sie am Glauben gezweifelt haben?
Mit 17 Jahren habe ich verstanden, wer Jesus ist und was er für mich getan hat. Ich habe auch ganz praktisch Gottes Handeln erlebt. Klar hatte ich auch herausfordernde Zeiten, in denen ich verletzt war und nach dem Warum gefragt habe. Ich habe gemerkt, dass diese Zeiten meinen Glauben gestärkt haben. Anfänglich dachte ich, dass ich einen Plan mit Gott habe. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es um Gottes Plan mit mir geht.

Wie offensiv gehen Sie in der Kabine oder auf dem Platz mit ihrem Glauben um?
Meine Mitspieler wissen alle, dass ich gläubiger Christ bin. Manche fragen nach, andere haben mit dem Thema Glaube und Religion nichts am Hut und hegen Vorurteile. Natürlich bekomme ich auch mal einen lustigen Spruch reingedrückt. Aber ich bin so im Glauben gefestigt, dass mir das nichts mehr ausmacht.

Sind Sie dafür auch schon einmal angefeindet worden?
Nein, das ist mir noch nicht passiert. Aber manche Mitspieler sind aufgrund gewisser Lebenserfahrungen von Gott enttäuscht und zweifeln deshalb an seiner Existenz. Sie fragen mich dann, wie ich an Gott glauben kann.

Aus der Jugend des FC Bayern hat es für Sie nicht zum grossen Durchbruch gereicht. Sind Sie enttäuscht?
Klar hatte ich den Wunsch, sportlich noch mehr zu erreichen. In den ersten zwei Jahren in München lief es ganz gut. Dann war ich sehr lange verletzt und hatte grosse Probleme, wieder Fuss zu fassen und zu den Profis zu kommen. Das war schon enttäuschend. In der Phase hat mir der Glaube geholfen, dass mein Wert nicht von meiner sportlichen Leistung abhängt. Ich habe damit meinen Frieden gefunden und dafür auch die nötige Demut.

Spielt als junger Mensch auch Neid eine wichtige Rolle?
Natürlich fängt man an, sich mit anderen zu vergleichen. Aber ich habe gelernt, dass das nicht glücklich macht. Entweder wird man stolz oder traurig und verbittert. Wenn ich ehemalige Mitspieler in der Champions League oder Bundesliga sehe, dann freue ich mich für sie, denke aber auch manchmal: Was wäre bei mir möglich gewesen ohne die langwierigen Verletzungen?

Was macht für Sie ein (sportliches) Vorbild aus?
Vom Charakter her ist es ein Spieler, der Verantwortung übernimmt und die Mannschaft auf dem Platz mitreissen kann. Ansonsten möchte ich mir bei meinen Vorbildern sportlich etwas abschauen. Als Christ ist natürlich Jesus mein Vorbild. Ausserhalb des Platzes sind es Freunde und Menschen aus der Gemeinde, die mir mit ihrem Verhalten ein Vorbild sind.

Welche Gemeinde besuchen Sie gerade?
Ich persönlich besuche eine Freie evangelische Gemeinde in einer grösseren Stadt in der Nähe von Offenbach. Sie heisst Nordstern und wurde mir von meinem Münchener Pastor Matthias Lohmann empfohlen. Er empfiehlt mir bei einem Vereinswechsel immer eine neue Gemeinde.

Wer ist für Sie ihr erster Ansprechpartner bei Misserfolgen?
Natürlich bete ich und gebe das Ganze bei Gott ab. Mit engen Freunden habe ich das Projekt «Fussball mit Vision» gegründet. Mit ihnen tausche ich mich einmal pro Woche online unter anderem auch über Sorgen und Nöte aus.

Parallel zu ihrer sportlichen Karriere studieren Sie noch Theologie. Wie kam es dazu?
Die Entscheidung fiel sehr früh. Als ich Christ wurde, wollte ich gerne schnell mehr über den christlichen Glauben wissen. Darum habe ich mich entschieden, beim BibelStudienKolleg in Stuttgart ein Fernstudium in Theologie zu beginnen. Ich wollte die Bibel besser kennenlernen. Im Rückblick war das ein wichtiger Schritt, weil es meinen Glauben gestärkt und viele Fragen beantwortet hat.

Wie ging es dann weiter?
Mit 26 Jahren habe ich meinen Bachelor gemacht. Als Fussball-Profi hat man neben dem Training auch Zeit für andere Dinge. Da habe ich mich entschieden, den Master im Fachbereich Neues Testament beim Forum Wiedenest dranzuhängen. Damit hätte ich irgendwann einmal die Chance, als Dozent zu arbeiten.

In Ihrer Arbeit befassen Sie sich mit dem Römerbrief. Was ist die spannendste Erkenntnis?
Das Neue Testament hat mich von Anfang an interessiert. Ich beschäftige mich in meiner Arbeit damit, wie Heil, Rechtfertigung und Heiligung im Römerbrief miteinander verknüpft sind. Mich begeistert, dass wir allein durch Gnade gerechtfertigt sind. Ich darf mein altes Leben ablegen und kann für Gott leben. Das gibt mir eine neue Identität und Gott kann mich prägen. Nach meiner Hochzeit im Sommer möchte ich die Arbeit gerne fertigstellen.

Haben Sie eine Lieblingsbibelgeschichte oder eine Lieblingsfigur?
Für mich ist Paulus ein schönes Beispiel, wie Gott seine Geschichte mit ihm schreibt. Durch seine Begegnung mit Jesus hat er Busse getan über sein altes Leben. Er bekam von Gott eine neue Identität und Jesus hat ihn in kurzer Zeit sehr stark verändert. Auf jeden Fall gehören die Paulus-Briefe zu meinen Lieblings-Passagen.

Gibt es auch eine wichtige Frage, auf die Sie noch keine Antwort haben?
Ja, warum Menschen mit so unterschiedlichen Voraussetzungen auf die Welt kommen und unterschiedliche Möglichkeiten haben. Gott leitet zwar alles. Aber manchmal würde ich schon gerne wissen, warum Menschen mehr leiden müssen als andere. Das beschäftigt mich schon.

Was kann der Fussballer Derflinger vom Theologen Derflinger lernen?
Ich glaube, als Fussballer kann ich täglich lernen, dass ich meinen Wert nicht aus meiner Leistung ziehe, sondern aus meiner Identität in Jesus. Deswegen kann ich im Profi-Geschäft mit einzelnen Situationen besser umgehen, wo es oft auf die Leistung des Einzelnen ankommt. Das muss ich mir immer wieder bewusst machen.

Ist Fussball ein Missionsfeld, um viele Menschen zu erreichen?
Das ist unabhängig davon, welchen Beruf man ausübt. Ich kann überall ein Licht für Gott sein, in dem wie ich rede oder mit Menschen umgehe. Klar kann ich als Fussballer vielleicht eine grössere Plattform bieten und mehr Menschen zu erreichen. Deswegen will ich meinen Glauben auch gerne offen leben.

Können Kirchen und Gemeinden etwas von Fussballfans lernen?
Es ist bewundernswert, was Fans für den Fussball und ihren Verein investieren: sowohl zeitlich als auch finanziell. Diese Leidenschaft und der Zusammenhalt sind enorm. Davon können sich christliche Gemeinden schon etwas abschauen. Ich geniesse es, wenn christlicher Lobpreis leidenschaftlich passiert.

Wie geht es nach Ihrer Karriere weiter: sportlich oder theologisch?
Mit «Fussball mit Vision» haben wir einen missionarischen Verein, mit dem wir Schulprojekte machen oder Online-Gottesdienste für Sportler anbieten. Vielleicht wäre es eine Option, das beruflich zu machen. Ich kann mir auch vorstellen, einen Trainerschein zu machen und dann im Nachwuchsbereich zu arbeiten. Ich habe gelernt, mir keine langfristigen Ziele zu setzen, damit ich offen bin, wohin Gott mich führt. Grundsätzlich möchte ich gerne junge Menschen fördern und mein Wissen weitergeben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

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Datum: 25.02.2023
Autor: Johannes Blöcher-Weil
Quelle: PRO Medienmagazin

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