Einstimmig freigesprochen

«Hassrede»-Vorwurf für Bibel-Tweet abgewiesen

Päivi Räsänen und Bischof Juhana Pohjola
Das Berufungsgericht in Helsinki sprach am Dienstag die Parlamentarierin Päivi Räsänen und Bischof Juhana Pohjola von allen Anklagepunkten frei. Die beiden mussten sich im August wegen angeblicher «Hassrede» erneut vor Gericht verantworten.

Erfolg für die Meinungsfreiheit: Päivi Räsänen und Bischof Juhana Pohjola sind unschuldig – das bestätigte das Berufungsgericht in Helsinki einstimmig. Die beiden mussten sich im August bereits in der zweiten Instanz für christliche Aussagen wegen angeblicher «Hassrede» vor Gericht verantworten.

Das Urteil bestätigt den einstimmigen Freispruch des Bezirksgerichts im März 2022. Das Gericht stellte fest, dass es «auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung vorgelegten Beweise keinen Grund hat, den Fall in irgendeiner Hinsicht anders zu beurteilen als das Bezirksgericht. Es gibt daher keinen Grund, das Urteil des Bezirksgerichts zu ändern.»

Einstimmiges Urteil, Staatsanwaltschaft muss Kosten tragen

Das Gericht weist in seiner einstimmigen Entscheidung alle Anklagepunkte gegen Räsänen und Bischof Pohjola zurück. Die Richter weisen die Argumentation der Staatsanwaltschaft vollständig zurück und bestätigen das Urteil des Bezirksgerichts. Die Staatsanwaltschaft kann innerhalb der nächsten zwei Monate Berufung beim Obersten Gerichtshof einlegen.

Räsänen, Finnlands ehemalige Innenministerin, wurde 2021 wegen «Agitation gegen eine Minderheit» im Rahmen eines Abschnitts des finnischen Strafgesetzbuchs mit der Überschrift «Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit» angeklagt. Sie hatte 2019 in einem Tweet sowie im selben Jahr in einer Rundfunkdebatte und 2004 einer kirchlichen Broschüre ihre Glaubensüberzeugungen zu Ehe und Sexualethik mitgeteilt. Bischof Pohjola war wegen der Veröffentlichung von Räsänens Broschüre aus dem Jahr 2004 angeklagt. Der Fall sorgte für weltweite Aufmerksamkeit. Menschenrechtsexperten brachten ihre Besorgnis über die Bedrohung der Meinungsfreiheit zum Ausdruck.

Räsänen: «Ich bin sehr erleichtert»

«Ich bin sehr erleichtert. Das Gericht hat das Bezirksgericht bestätigt. Das Urteil erkennt die Bedeutung der Meinungsfreiheit für uns alle», sagte Päivi Räsänen nach ihrem Erfolg vor Gericht. 

«Es ist kein Verbrechen, einen Bibelvers zu twittern oder sich an einer öffentlichen Debatte mit einer christlichen Perspektive zu beteiligen. Die Versuche, mich wegen meinen Überzeugungen strafrechtlich zu verfolgen, haben mir fünf sehr schwierige Jahre beschert. Ich hoffe, dass das Ergebnis als wichtiger Präzedenzfall für den Schutz der freien Meinungsäusserung gelten wird. Hoffentlich bleibt anderen unschuldigen Menschen diese Tortur erspart, nur weil sie ihre Überzeugungen geäussert haben», fügte Räsänen, ehemalige finnische Innenministerin und Grossmutter von elf Enkeln, hinzu.   

Interpretation der Bibel «kriminell»

Im aufsehenerregenden Prozess griff die Staatsanwältin zentrale christliche Inhalte an. Ausserdem verhörte sie Räsänen und den Bischof zu theologischen Fragestellungen und ihrem persönlichen Glauben. In ihrem eröffnenden Statement meinte die finnische Staatsanwältin Anu Mantila, dass «man die Bibel zitieren kann, aber Räsänens Interpretation und Meinung dazu kriminell» seien.

Im Kreuzverhör fragte die Staatsanwaltschaft mehrmals, ob Räsänen ihre Aussagen im Büchlein aus dem Jahr 2004 mit dem Titel «Als Mann und Frau schuf er sie» widerrufen würde. «Im Kern des Verhörs stand die Frage: Würde sie ihren Glauben widerrufen? Die Antwort war nein – sie wollte ihren Glauben nicht verleugnen. Das Kreuzverhör erinnerte stark an eine Untersuchung wegen Häresie; sie hatte offenbar gegen die neuen Dogmen des Zeitgeistes verstossen», meinte Coleman, Autor des Buches «Zensiert: Wie europäische 'Hassrede'-Gesetze die Meinungsfreiheit bedrohen». Coleman war Teil des rechtlichen Verteidigungsteams. 

Hintergrund und Motivation von Räsänens Aussagen waren für die Staatsanwältin irrelevant: «Der Punkt ist nicht, ob es wahr ist oder nicht, sondern, dass es beleidigend ist.» Räsänen hätte wissen müssen, – so die Staatsanwältin – dass ihre Worte gegenüber gewissen Menschen beleidigend sein könnten. Deswegen hätte sie von den Aussagen absehen müssen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die behauptete Aufwiegelung nur strafbar sei, wenn sie vorsätzlich begangen worden wäre.

Meinungsfreiheit verteidigt

Räsänens Verteidigung wurde von ADF International koordiniert. Das rechtliche Verteidigungsteam betonte den starken Schutz für die Meinungsfreiheit in den internationalen Menschenrechten. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor die Verwendung des Wortes «Sünde» als beleidigend und damit rechtswidrig bezeichnet. Doch Räsänen hatte nur aus der Bibel zitiert – somit wäre ein Schuldspruch eine direkte Verurteilung von biblischen Inhalten.

Der Gerichtshof bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts: Es muss «einen zwingenden Grund für die Beeinträchtigung und Einschränkung der Meinungsfreiheit geben.» Schon das Bezirksgericht war zu dem Schluss gekommen, dass es keine solche Rechtfertigung gibt. «Es ist nicht Sache des Bezirksgerichts, über biblische Konzepte zu urteilen», sagte das Bezirksgericht damals.

«Wir feiern diesen Erfolg für die Meinungsfreiheit. Nach vier langen Jahren mit polizeilichen Ermittlungen, strafrechtlichen Anklagen und Gerichtsverhandlungen liegen hinter Päivi. Wir begrüssen das Urteil des Berufungsgerichts. Doch unser Ziel ist es, dass solche absurden Fälle nicht mehr vor Gericht gebracht werden. In einer freien und demokratischen Gesellschaft sollte es allen erlaubt sein, ihre Überzeugungen ohne Angst vor Zensur zu äussern. Die Kriminalisierung von Äusserungen durch sogenannte 'Hassrede'-Gesetze verhindert öffentliche Debatten und stellt eine ernste Bedrohung für unsere Demokratien dar. Ich bin sehr erleichtert, dass Gerichte die Rechtsstaatlichkeit wahren. Staatliche Behörden überschreiten klar ihre Kompetenz, wenn sie Äusserungen, die ihnen missfallen, zensieren und bestrafen», so Coleman weiter.

Weitere Informationen zu dem Fall Päivi Räsänen finden sich hier.

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Datum: 15.11.2023
Quelle: ADF International

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