Spanien: Wo Evangelikale sich als Protestanten sehen
500 Menschen in Valencia, 800 in Granada, Hunderte mehr in Madrid: In Spanien feierten die evangelischen Christen Ende Oktober wieder landesweit mit öffentlichen Veranstaltungen, an denen Prominente aus Politik und Kultur teilnahmen, die Reformation. Die evangelische Minderheit (rund 2 Prozent der Bevölkerung) erinnert sich bei diesen einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltungen an ihre gemeinsame Geschichte und bekräftigt ihr gesamtgesellschaftliches Engagement, das sich aus ihrem biblischen Weltbild ableitet. Anders als in den meisten anderen europäischen Ländern gibt es in Spanien keine Evangelikalen, die sich vom Protestantismus abgrenzen. Das hat mehrere Gründe.
Fest des Lichts statt Halloween
Nachdem das katholische Allerheiligen seine Bedeutung auf Halloween verlagert hat, sprechen die Evangelikalen am 31. Oktober von 'Post tenebras, Lux' (Nach der Finsternis das Licht). Luthers «Ein feste Burg ist unser Gott» wird nicht nur auf Spanisch (Castillo fuerte es nuestro Dios), sondern auch in anderen Amtssprachen wie Katalanisch gesungen.
Jede Region entdeckt ihre eigenen christlichen Helden des Reformations-Jahrhunderts. Da ist zum Beispiel Gaspar de Centelles, ein Intellektueller aus der Oberschicht, der sich zum biblischen Glauben bekehrte und 1564 vor den Mauern der Stadt Valencia lebendig verbrannt werden sollte. Sein Verbrechen bestand darin, ein «abscheulicher und unbussfertiger Ketzer» zu sein. Ein weiteres Beispiel ist María Bohórquez aus Sevilla, die fünf Jahre zuvor von der Inquisition verbrannt wurde.
Ehrenbezeichnung «Protestant»
Heute bezeichnen sich über 90 Prozent der Evangelischen in Spanien als Protestanten. Das mag daran liegen, dass die spanischen Protestanten nie eine mächtige Nationalkirche bildeten, wie dies in Skandinavien oder Mitteleuropa der Fall war. «Protestant» ist häufig die Bezeichnung, die junge christliche Studenten an der Universität wählen, wenn man sie nach ihrem Glauben fragt. Das Gremium, das Pfingstler, Baptisten, Reformierte oder Brüdergemeinden gegenüber dem Staat vertritt, heisst «Protestantische Föderation». Die Spanische Evangelische Allianz, ein weiterer Dachverband, hat erklärt, dass «die Reformation weitergehen muss». Und das meistgelesene evangelikale Online-Medium heisst Protestante Digital.
Die liberalen theologischen Strömungen, die im Laufe der Zeit die Autorität der Bibel verloren haben, sind in Spanien nach wie vor in der Minderheit und haben die Erinnerung an den Evangelikalismus nicht beschädigt. X. Manuel Suárez, Arzt und Politiker, sagte kürzlich: «Wir Evangelikalen haben diesem Land viel zu geben, auch wenn wir uns dessen oft nicht bewusst sind. Aber es fällt uns immer noch schwer, sichtbar zu werden und unsere eigenen Vorschläge in die Öffentlichkeit zu tragen, Vorschläge, die im geistlichen Bereich beginnen und sich auf alle anderen Bereiche ausdehnen.»
«Vielleicht ist dies ein weiterer Grund, warum die Evangelikalen in Spanien weiterhin mit Bewunderung auf die Reformation zurückblicken. Die Erinnerung, die andernorts mit Spaltung oder Religionskriegen assoziiert wird, ist hier eine Feier der christlichen Treue, des Mutes, das Richtige zu tun, und des Kampfes, der Freiheiten gewonnen hat», schreibt Joel Forster in «Evangelical Focus».
Schnellstwachsende Religionsgemeinschaft
Nach offiziellen Angaben sind 1,96 Prozent der spanischen Bevölkerung evangelikal oder protestantisch (2018). Damit sind sie die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft in Spanien. Während 1998 nur etwa ein Viertel Prozent der spanischen Bevölkerung als Protestanten identifiziert wurden, waren es zehn Jahre später knapp 0,7 Prozent und im Jahr 2018 1,96 Prozent. Damit hat sich die Zahl der evangelischen Christen in dem iberischen Land innerhalb von 20 Jahren verachtfacht. In der jüngsten untersuchten Altersgruppe (18-29 Jahre) liegt der evangelikale Anteil sogar bei 3 Prozent. Damit sind die «Evangelicos» die am schnellsten wachsende religiöse Gruppe des Landes. Dies teilte die spanische Beobachtungsstelle für religiösen Pluralismus mit.
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