«Der Weg ist zu weit für dich!»

Ressourcen – nicht nur für Propheten wie Elia

Menschen in der Wüste
Es gibt sie, diese Aufgaben, an denen man sich die Zähne ausbeisst. Diese Tage, an denen man feststellt: Ich habe alles versucht, aber ich schaffe es nicht. Welche Optionen gibt es in solchen Situationen?

Bestimmt haben Sie auch schon diese Erfahrung gemacht: Während Sie in der Bibel lesen, erscheint Ihnen plötzlich eine Bibelstelle, die Ihnen seit Jahren vertraut ist, in ganz neuem Licht... Ein Vers, ein Satz oder auch nur eine kurze Wendung, die man schon viele Male gelesen hat, fällt einem plötzlich ins Auge und beginnt zu «leuchten», als sei sie mit einem Textmarker angestrichen. Genau das erlebte ich neulich, als in meinem Bibelleseplan das Kapitel 1. Könige, Kapitel 19 an der Reihe war. Über den Propheten Elia heisst es: «Er selbst aber ging in die Wüste eine Tagereise weit und kam und liess sich unter einem einzelnen Ginsterstrauch nieder. Da wünschte er sich, sterben zu können… Und der Engel des Herrn kehrte zurück, kam zum zweiten Mal und rührte ihn an und sprach: Steh auf, iss! Denn der Weg ist zu weit für dich. Da stand er auf und ass und trank, und er ging in der Kraft dieser Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes, den Horeb» (Übersetzung: Elberfelder Bibel). Ich hatte diesen Text schon so oft gelesen – doch diesmal war es, als läse ich den letzten Satz des 7. Verses zum allerersten Mal: «Denn der Weg ist zu weit für dich.»

Aber zunächst ein paar Worte zur Ausgangssituation:

Ein vollmächtiger Mann Gottes – am Boden zerstört

Wir begegnen Elia hier unmittelbar nach dem grössten Triumph seines bisherigen Lebens: Auf dem Berg Karmel hat er die Priester des Baalskultes zu einem «Gottesbeweis» herausgefordert. Er lässt zwei Opferaltäre aufbauen, und der wahre Gott soll derjenige sein, dem es gelingt, Feuer auf seinen Altar zu senden und das Opfer zu entzünden. Nach einem aufregenden Showdown ist klar: Jahwe, der Gott Israels, ist der wahre Gott. Daraufhin tötet Elia die Baalspriester. Sofort schwört Königin Isebel, die treibende Kraft des Baalskultes in Israel, ihm Rache und droht, dass sie ihn am nächsten Tag umbringen lassen wird (1. Könige, Kapitel 19, Verse 1-2).

Und Elia? Unmittelbar, nachdem er in seinem Kampf für den rechten Glauben diesen spektakulären Sieg errungen hat, folgt ein jäher Absturz. Er bekommt es mit der Angst zu tun, läuft eine Tagereise weit in die Wüste und bricht unter einem Ginsterstrauch zusammen. Er hat jeden Lebensmut verloren und möchte nur noch sterben. Völlig erschöpft schläft er ein. Er hat keinen Mut, keine Hoffnung, keine Zukunftsperspektive mehr. Er glaubt nicht mehr daran, dass in seinem Leben noch irgendetwas «geht» – und erst recht nicht daran, dass Gott noch einen Auftrag für ihn hat. Heute würde man vielleicht sagen, er hat einen Burnout oder eine Erschöpfungsdepression.

Du schaffst es nicht allein!

«Der Weg ist zu weit für dich!» Als ich diesen kurzen Satz las, der mir bisher nie aufgefallen war, musste ich innehalten. Diese unglaublich nüchterne, schlichte Aussage berührte mich tief. Was hatte Gott da zu Elia gesagt? «Das, was du da vor dir hast, dieser Weg, den du gehen sollst, ist zu weit für dich! Das schaffst du nicht. Nicht aus eigener Kraft. Nicht ohne meine Hilfe! Der Weg ist zu weit für dich!»

Mir war in diesem Moment, als würde Gott das zu mir ganz persönlich sagen. Denn auch ich gerate in meinem Leben immer wieder in Situationen, in denen ich mich überfordert fühle. Es gibt sie, diese Aufgaben, an denen ich mir die Zähne ausbeisse. Diese Tage, an denen ich feststelle: Ich habe alles versucht, aber ich schaffe es nicht. Ich gebe auf. Es hat keinen Sinn. Der Weg ist zu weit für mich.

Zu lesen, wie die Geschichte nun weitergeht, ermutigte mich sehr. Denn Gott lässt Elia in seiner Notlage nicht im Stich. Gott sieht ihn, wie er dort liegt – und er kümmert sich um ihn. Er schickt ihm einen Engel, der einen Laib Brot und einen Krug Wasser vor ihn hinstellt, ihn aufweckt und ihn auffordert: «Steh auf und iss!»

Die erste Portion Brot und Wasser braucht Elia einfach nur, um weiterzuleben. Sie dient dazu, die leeren Speicher seines Körpers wieder aufzufüllen, und er darf noch ein wenig weiterschlafen. Aber dann, als der Engel zum zweiten Mal kommt und Elia zum Essen auffordert, geht es um mehr als Wiederherstellung: Es geht um die Zukunft. Gott hat noch etwas mit Elia vor. Elia hat einen weiten Weg vor sich.

Lebensbrot und Lebenswasser – auch für uns

Während ich weiter über diese Textstelle nachdachte, erkannte ich: Dieses Brot und dieses Wasser, die uns die Kraft geben, unseren Weg weiterzugehen und bis zum Ende durchzuhalten, stehen auch für uns bereit. Und ebenso wie Elia müssen wir nur eines tun: aufstehen und zugreifen.

Das Brot, an dem wir uns stärken dürfen, ist in zweierlei Gestalt für uns da: in Gestalt der Bibel, die wir lesen dürfen und die uns immer wieder Kraft, Trost und Orientierung für unser Leben gibt. Und in Gestalt von Jesus selbst, der sich ja selbst als das Brot des Lebens bezeichnet (siehe z. B. Johannes, Kapitel 6).

Und das Wasser? Auch das Wasser hat zwei Bedeutungen: Einerseits ist es ebenfalls ein Symbol für das Wort Gottes (Epheser, Kapitel 5, Vers 26), andererseits ein Bild für den Heiligen Geist (siehe z. B. Johannes, Kapitel 7, Verse 37-39).

So nahm ich für mich selbst die Erkenntnis mit: Wenn ich merke, dass ich erschöpft und mit meinen Kräften am Ende bin, kann ich zwei Dinge tun. Ich kann aktiv nach Gelegenheiten suchen, um Gemeinschaft mit Jesus zu haben, Zeit mit ihm zu verbringen, in der Bibel zu lesen und zu ihm zu beten. Und ich kann dem Heiligen Geist Raum in meinem Leben geben. Jesus hat ja ausdrücklich gesagt, dass dieser Geist unser Beistand und unser Tröster ist (Johannes, Kapitel 16, Vers 7). Er ist eine Person, und ich darf ihn bitten, mich zu trösten und mir wieder Mut zu machen – zum Beispiel, indem er mich im Alltag ganz konkret an Bibelstellen erinnert, die gerade wichtig für mein Leben sind. Oder indem er mir gute Gedanken eingibt, die mir helfen, meine Situation wieder mit anderen Augen (z. B. aus der Perspektive Gottes) zu sehen.

Eine praktische Lehrstunde

Schon wenige Tage, nachdem ich dies erkannt hatte, konnte ich die neue Lektion in meinem Alltag umsetzen. Ich war unvermittelt in beruflicher und persönlicher Hinsicht stark unter Druck geraten. Termine und Aufgaben schienen sich zu überschlagen, und hinzu kam eine unvermutet eingetretene familiäre Herausforderung. Ich fühlte mich ebenso erschöpft und hoffnungslos wie Elia in der Wüste. Ich sah keine Möglichkeit, meine Aufgaben zu bewältigen, und war einfach nur überfordert.

In diesem Moment wusste ich: Ich brauche jetzt dieses Brot und dieses Wasser, das der Engel vor Elia hingestellt hat. Sonst schaffe ich das nicht – der Weg ist zu weit für mich! Still blieb ich mit dieser Erkenntnis vor Gott sitzen und wartete, ob er zu mir sprechen würde. Mir fiel der ungefähre Wortlaut einer Bibelstelle ein – ich gab die Stichworte in die Suchmaschine ein und fand den genauen Text: «Der Herr wird für euch kämpfen, ihr aber werdet still sein» (2. Mose, Kapitel 14, Vers 14). Durch die Verweisstellen im Text fand ich einen weiteren Bibelvers: «Herr, du wirst uns Frieden geben, denn du hast ja alle unsere Werke für uns vollbracht» (Jesaja, Kapitel 26, Vers 12). Diese Verheissung erinnerte mich daran, dass Gott auch in der Vergangenheit für mich eingetreten war und dass er all das bewirkt hatte, was in meinem Leben gelungen war. Ich schlug weitere Verweisstellen nach und fand: «Ich rufe zu Gott, dem Höchsten, zu dem Gott, der es für mich vollendet» (Psalm 57,3); «Der Herr wird es für mich vollenden» (Psalm 138, Vers 8) und «Nicht ihr werdet dabei kämpfen müssen. Tretet hin, steht und seht die Rettung des Herrn» (2. Chronik, Kapitel  20, Vers 17). All diese Bibelstellen sagten mir, dass ich das unüberschaubare Labyrinth meiner Aufgaben, Sorgen und Gedanken in Gottes Hand legen durfte – und dass er sich darum kümmern und all diese Fäden entwirren würde. So betete ich nun diese Bibelstellen «zu ihm zurück» und dankte ihm dafür, dass er mir helfen würde, meine Aufgaben zu sortieren und nach und nach zu bewältigen.

Allmählich spürte ich, wie ich innerlich zur Ruhe kam und von Frieden erfüllt wurde. Und tatsächlich – im Laufe der nächsten Stunden und Tage begannen all die Dinge, die mich so beunruhigt hatten, sich Stück für Stück zu klären. Es zeichneten sich Lösungen ab, und die durcheinandergewürfelten Puzzleteile fielen an ihren Platz. Das «Lebensbrot» – das Wort Gottes in der Bibel und die Gemeinschaft mit Jesus selbst – hatten mich gestärkt und mir wieder aufgeholfen.

Der Heilige Geist – mein Tröster und Fürsprecher

Auch mit dem Heiligen Geist, der «für mich spricht» und mich tröstet, habe ich in dieser schwierigen Zeit eine besondere Erfahrung gemacht. Eines Morgens war schon vor dem ersten Hundespaziergang etwas vorgefallen, das mich so verärgert und bedrückt hatte, dass ich nur mit Mühe die Fassung bewahren konnte. Während ich nun mit meinen beiden Hunden meine Runde um den benachbarten See und den angrenzenden Park machte, tat ich etwas, das ich – leider – schon lange nicht mehr gemacht hatte und woran ich immer nur denke, wenn ich mich besonders bedrückt oder hoffnungslos fühle: Ich gab dem Heiligen Geist Raum, in mir zu singen und zu beten.

(Dazu vielleicht eine kurze Erklärung: Mein Mann und ich haben bei unserer Bekehrung eine Gebetsanleitung befolgt, die neben der bewussten Hingabe an Jesus Christus auch die Bitte um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist und die Gabe des Sprachengebetes beinhaltete. Daraufhin erhielt ich zu meinem eigenen Erstaunen die Gabe, in anderen Sprachen zu beten und zu singen.)

Während ich nun die leisen Melodien vor mich hinsang – bzw. eigentlich zuhörte, wie der Heilige Geist das in mir tat – spürte ich, wie mein Herz immer leichter wurde. Ich sang und betete abwechselnd in meiner Gebetssprache und mit «vernünftigen» Worten (1. Korinther, Kapitel 14, Verse 2 und 15), sprach immer wieder den Namen Jesus aus, lobte ihn für das, was er ist und was er tut, und dankte ihm dafür, dass er mein Friede ist (Epheser, Kapitel 2, Vers 14). Am Ende meines Spazierganges, als ich wieder nach Hause kam, hatten sich die dunklen Wolken in meinem Inneren verzogen und ich fühlte mich vollkommen friedlich und ausgeglichen.

Aber gleichzeitig auch ein bisschen beschämt. Denn ich war traurig darüber, dass ich diese Gabe so selten nutze – und gleichzeitig bewegte (und bewegt) es mich so sehr, dass mein «Tröster und Fürsprecher» mir das nicht übelnimmt, mir immer wieder zu Hilfe kommt und in mir und für mich singt und betet, wenn ich ihn darum bitte.

Gestärkt durch «Essen» und «Trinken», durch Christus und den Geist, als der Weg zu weit für mich war: Was für ein Glück, dass so eine Erfahrung nicht nur dem Propheten Elia vorbehalten war!

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin Faszination Bibel vom SCM Bundes-Verlag.

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Datum: 08.02.2024
Autor: Martina Merckel-Braun
Quelle: Faszination Bibel / SCM Bundes-Verlag

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