Livenet-Talk

Als Christ Single – Not oder Berufung?

Frau schaut in die Ferne
Viele Singles fühlen sich in ihrer Kirche nicht wahrgenommen. Woran liegt das? Und was würden sie sich von den Gemeinden wünschen? Eine grosse Talk-Runde tauschte sich über das Thema aus.

Die Gäste vom dieswöchigen Livenet-Talk, moderiert von Florian Wüthrich, waren Barbara Rüegger, die lebenslang Single war und mehrere Artikel zum Thema geschrieben hat; Monika Götte, ev.-ref. Pfarrerin in Stäfa und Organisatorin von einem Speed-Dating-Event; Björn Lautenschläger, Jugendpastor BewegungPlus CLZ Burgdorf; Jaël Binggeli, Jugendbeauftragte der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA sowie Bettina Wagner, Administratorin bei der Online-Partnervermittlung «Chringles».

Ins Singlesein «reingerutscht»

Die Frage, ob Singlesein eine Berufung ist oder nicht, beantwortete Barbara Rüegger mit ihrer eigenen Geschichte. Ihr ursprünglicher Lebensentwurf hatte eigentlich ganz anders ausgesehen, mit Mann und Kindern. Letztlich rutschte sie ins Singlesein rein, als einfach kein Partner kam. Dank des Zuspruchs einer Freundin fand sie letztlich aus der Warteschleife heraus und fand für sich ein Leben mit Jesus, das spannend war und immer noch ist, unter anderem auch als zeitweise Mutter für indische Strassenkinder.

Auch in der «empirica»-Single-Studie kam zum Ausdruck, dass kaum einer der befragten Singles sich zum Singlesein berufen fühlte, sondern reingerutscht ist. 

Nicht wirklich wahrgenommen

Eines der Probleme von Singles ist, dass sie sich in den Gemeinden oft nicht wahrgenommen fühlen. Durch den Besuch eines Workshops zum Thema Singles, dem die Single-Studie zu Grunde lag, wurde Björn Lautenschläger auf das Thema aufmerksam. Beim Schreiben einer Arbeit über die eigene Gemeinde wurde ihm bewusst, dass, obwohl die Gemeinde die verschiedensten Angebote hatte, es doch kein einziges gab, um Singles bewusst anzusprechen.

Jaël Binggeli, die Mitglied von Björns Gemeinde ist, kann bestätigen, dass bis jetzt Singles nicht wahrgenommen wurden und irgendwie nicht zu existieren schienen.

Monika Götte realisierte dagegen in ihrer Kirchgemeinde, dass zwar viele Taufen, aber kaum Trauungen stattfanden. Um da etwas zu ändern, schrieb die Gemeinde alle Singles an und lud sie zu einem Speed-Dating ein. Obwohl wenige zum Speed-Dating kamen, war das Echo trotzdem gross. Die Singles fühlten sich neu wahrgenommen. Obwohl es noch nicht zu einer Trauung gekommen ist, fanden doch einige den Weg in die Mitarbeit in der Kirche. Bettina Wagner war selbst einmal bei einem dieser Speed-Datings dabei und erlebte es sehr positiv, mit guten Gesprächen und viel Spass.

Bitte keine «guten» Ratschläge!

Alle vier Frauen, die am Talk teilnahmen, mussten irgendwann mit «guten» Ratschlägen oder nicht sehr hilfreichen Bemerkungen umgehen. «Was, du bist doch so eine coole Frau, warum hast du noch keinen Mann?» oder «Ja, so starke Frauen haben Männer eben nicht so gerne» sind nur zwei der Bemerkungen, die gehört wurden. Dazu kamen dann Ratschläge oder die Vertröstung auf später, wenn der Partner dann kommen würde. Jaël erlebte die Hilflosigkeit von Christen, welche, wenn sie darauf angesprochen wurden, dass Gott vielleicht auch später keinen Mann für sie habe, keine Antwort mehr hatten.

Monika Götte erlebte im Theologiestudium, wie 22-jährige Mitstudenten heirateten, etwas, das ihr bis anhin fremd war. Durch dieses Erleben und die Bemerkungen von Christen fühlte sie sich plötzlich defizitär ohne Partner.

Der unerfüllte Wunsch

Die Single-Studie zeigt auch, dass trotz allem 75 Prozent der Singles mit ihrem Leben zufrieden sind. So scheinen es doch viele geschafft zu haben, ihre unerfüllten Wünsche auf andere Art umzusetzen und trotzdem ein erfülltes Leben zu haben.

Jaël Binggeli, die sich manchmal einen Partner wünscht, betet aber auch darum, dass Gott ihr das gibt, was sie braucht. Er kenne sie ja genau. Sie würde sich freuen, einen Partner zu finden, möchte aber nicht, dass diese Frage ihr ganzes Leben bestimmt. Sie fühlt sich wohl in ihrem Freundeskreis und ihre Arbeit begeistert sie. Sie glaubt auch nicht, dass Gott den einen Partner für sie hat, sondern dass wir uns entscheiden können für einen Partner. 

Gerade in der christlichen Gemeinde ist der Druck, im Alter zwischen 20 und 30 zu heiraten, sehr gross und junge Singles müssen lernen, sich diesem Druck zu entziehen, um persönlich lockerer mit dem Thema umzugehen und gnädiger mit sich selber zu sein.

Wie kommt man trotzdem zu einem Partner?

Bettina Wagner war mehrere Jahre verheiratet und nach einer Scheidung mehrere Jahre allein mit zwei kleinen Kindern. Sie erlebte, wie es ist, einsam zu sein und sich überlegen zu müssen, mit wem man die Festtage verbringen möchte. Sie erstellte ein Profil bei «Chringles» und bekam dort auch eine Arbeitsstelle als Administratorin. Seit ihrer Anstellung bei «Chringles» hat Bettina viele Singles kennengelernt, die sich mit ihrem Status sehr schwer tun und darunter leiden, gerade auch, weil viele sich als nicht vollwertig erleben und denken, dass mit ihnen etwas falsch sei. Sie werden oft in den Gemeinden als Aussenseiter wahrgenommen, anstatt als diejenigen, die warten, weil sie klare Werte vertreten und sich nicht einfach in ein Abenteuer stürzen wollen.

«Chringles» besteht seit elf Jahren, pro Tag gibt es ca. 20 Neuanmeldungen von Leuten zwischen 18 und 80 und zwei Paare, die zusammenkommen. Auch Bettina gehört zu diesen Paaren und hat vor einem guten Monat wieder geheiratet. Für sie war klar, dass sie mit zwei Kindern nicht ausgehen konnte, um einen neuen Partner zu treffen. Da sie einen christlichen Mann suchte, war ein Online-Portal für sie eine gute Möglichkeit.

Auch Björn hat suchenden Singles schon vorgeschlagen, sich auf so einem Portal anzumelden und ihnen mit Gesprächen geholfen und ihnen die Angst davor genommen. Aber auch ein Online-Portal ist noch keine Garantie für einen Partner und es braucht Geduld und Gottes Führung im Gebet bei der Suche.

Als Single zufrieden, wie kann das gehen?

Jaël Binggeli ist skeptisch, wenn es darum geht, für Singles Netzwerke zu kreieren, da viele Singles nach aussen schon recht aktiv sind und Kontakte zu anderen suchen. Sie würde sich aber freuen über Abende, an denen Themen angesprochen werden wie: Wie gehe ich mit Einsamkeit um, oder mit meiner Sexualität, die ich nicht ausleben kann? So können Singles in ihrer Identität gestärkt und darin unterstützt werden, sich als vollwertige Persönlichkeiten zu sehen. Jaël will das Leben als Kuchen mit vielen Stücken sehen, und Partnerschaft und Kinder sind nur zwei Stücke davon. Daneben hat sie noch viele anderen Stücke, die super sind und sie kann sich auch Zeit nehmen, Neues zu beginnen oder ein neues Hobby anzufangen.

Wenn Björn Lautenschläger sich mit Singles unterhält, kommen viele gute Ideen rüber, was man als Gemeinde machen könnte und was wünschenswert wäre. Er möchte den Singles Mut machen, ihre Ideen in Kleingruppen oder bei der Gemeindeleitung anzubringen.

In der Gemeinde wird Ehe und Familie oft überbetont, findet Monika Götte, und das Thema bekommt einen Platz, der ihm gar nicht zusteht. Jesus hat in seinem Dienst auch Leute aus Familien herausgerufen und er will für alle da sein. In der Gemeinde sollen alle Platz haben und wirklich miteinander unterwegs sein.

Webseite für christliche Singles:
«Chringles»

Den Talk in voller Länger anschauen:
 

 

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Datum: 10.10.2024
Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet

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