Aufatmen in Israel

«Glückstränen gab es lange nicht mehr»

Freudentränen, wenn Geiseln wieder mit ihren Familien vereint sind
Nachdem mehrere Geiseln freigekommen sind, ist die Erleichterung in Israel riesig. Der Waffenstillstand mit der Hamas wird skeptisch betrachtet – während das Abraham-Abkommen demnächst neuen Schub erhalten dürfte.

«Insgesamt gibt es ein Aufatmen über die Rückkehr und die Freilassung (der Geiseln)», bilanziert der in Israel aufgewachsene Autor und Israel-Reiseführer Assaf Zeevi. «Man hat lange darauf gewartet, wie ihr Schicksal ausgeht. Es ist tief in der israelischen DNA verankert, dass Israel ein sicherer Ort für Juden sein muss. Wer damals rechtzeitig nach Israel kam, entkam dem Holocaust.»

Und plötzlich habe der Staat den 7. Oktober 2023 «verschlafen und es hätte jeden treffen können. Wir sind alle füreinander verantwortlich. Ohne die Freilassung der Geiseln gibt es kein Ende des Krieges. Das ist praktisch Konsens. Worüber es keinen Konsens gibt, ist der Preis und wo die Grenze ist. Jetzt können die Menschen in Israel wieder lachen. Glück und Glückstränen gab es lange nicht mehr.»

«Wird die Zukunft wieder vorbereitet?»

Aber man schaffe eine Ungerechtigkeit, weil auch Mörder und Islamisten freigelassen werden, sagt Assaf Zeevi. «Jeder kennt jemanden, der jemanden durch einen Terroranschlag verloren hat. Und es ist bekannt, dass in der Vergangenheit zwölf Prozent der freigelassenen Terroristen direkt wieder in den Terror zurückkehrten. Einige der jetzt Freigelassenen sind schwere Kaliber, manche sind für mehrere Dutzend Anschläge verantwortlich. Es stellt sich die Frage, ob die Zukunft nicht erneut vorbereitet wird.»

Gilad Shalit war einst von 2006 bis 2011 ein Gefangener der Islamisten in Gaza. «Er wurde gegen 1700 Palästinenser ausgetauscht ... einer von ihnen hat den 7. Oktober organisiert.»

Gemischte Gefühle über den Waffenstillstand

«Viele sind nicht dafür, den Krieg zu beenden», beobachtet Assaf Zeevi. Zwei der Kriegsziele seien erreicht: «Die Beseitigung der militärischen Bedrohung in Gaza und die Vernichtung des militärischen Arms der Hamas. Aber das dritte ist: Wir hätten ein Abkommen mit der Hamas. Früher haben wir Konflikte mit Abkommen beendet, diesmal sollte es anders sein – weil es die Hamas nicht mehr geben würde. Jetzt sind sie noch da, und sie werden alles tun, um sich wieder zu bewaffnen.»

Viele Palästinenser fänden den 7. Oktober immer noch grossartig: «Israel konnte gedemütigt werden, also hat es sich gelohnt. Sie zahlen einen hohen Preis, aber sie finden, dass es sich lohnt – das ist die Kultur des Stolzes. Man hört auch heute noch: ‘Wir werden unsere Kinder in diesem Sinne erziehen und sie werden jedes Jahr den 7. Oktober feiern’.»

Durch die Abkommen könne man die Geiseln oder die meisten von ihnen freibekommen, aber man sichere der Hamas das politische Überleben. «Die Hilfsgüter landen bei der Hamas und stärken sie. Niemand glaubt der Hamas, das ist eine Lehre aus dem 7. Oktober.»

Assaf Zeevi

«Man ist desillusioniert»

«Man ist desillusioniert, niemand nimmt das Wort Frieden in den Mund», stellt Assaf Zeevi fest. «In dieser Generation mit dieser Zivilisation auf der anderen Seite ist das nicht möglich. Wir wissen, dass die nächsten 50 Jahre verloren sind. Wir haben keine andere Wahl, als mit dem Schwert zu leben.»

Als Zeevi geboren wurde, tobte 1982 der erste Libanonkrieg. «Meine Familie dachte: ‘Wenn er 18 ist, braucht er nicht mehr in die Armee.' Heute denkt man, wenn ein Baby zur Welt kommt: Mit 18 muss es auch kämpfen...»

Abraham-Abkommen steht vor Wachstum

Rückenwind gibt es dagegen für die Gemässigten in der Region: «Auf der Warteliste des Abraham-Abkommens stehen einige grosse Länder, darunter Indonesien und Saudi-Arabien (was Livenet schon seit einiger Zeit andeutet)! Das sind schlechte Nachrichten für den Iran, für den Syrien ein wichtiges Bindeglied war. Der Verlust der Hisbollah hat zum Sturz von Assad geführt. Die Architektur des Nahen Ostens verändert sich zugunsten Israels.»

Zweimal habe der Iran Hunderte von Raketen auf Israel abgefeuert, «und fast nichts ist passiert. Wir haben keine Angst mehr vor dem Iran, auch das verändert vieles».

«Israel ist wieder sicher»

Frieden mit den Islamisten werde es nicht geben. «Versöhnung zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde wird ein langer Weg sein. Aber Frieden mit anderen muslimischen Staaten steht vor der Tür.»

Im November ist Assaf Zeevi wieder mit einer Reisegruppe nach Israel gereist. «De facto ist das Reisen wieder möglich. Vor November war das nicht der Fall, aber jetzt ist es an der Zeit, das Land nach dem Krieg zu sehen. Das ist die beste Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Auf meiner Website können Termine gebucht werden.»

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Datum: 04.02.2025
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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